Mobilitätsgipfel

Konzeptlos in die weitere Verkehrswende

Die Bundesregierung sucht nach Wegen, die Emissionen im Verkehrsbereich deutlich stärker zu senken. Ein Gipfel am Dienstag im Kanzleramt hat diesbezüglich nicht wirklich Fortschritte gebracht.

Konzeptlos in die weitere Verkehrswende

ahe Berlin

Ein erstes Treffen der neuen „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ ist am Dienstag im Kanzleramt ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangen. Die knapp 40 Teilnehmer – neben Bundeskanzler Olaf Scholz und fünf seiner Minister waren insbesondere Vertreter der Automobilindustrie geladen – waren sich zwar einig, dass ein rascher Hochlauf der E-Mobilität erforderlich ist, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Der Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität soll nun aber erst einmal „zeitnah weitere Optionen entwickeln, wie die bestehende Emissionsminderungslücke im Verkehr bis 2030 geschlossen“ werden könne, erklärte ein Regierungssprecher nach dem Treffen. Zugleich stellte er klar, dass die Akzeptanz aller Akteure für den Transformationsprozess besonders berücksichtigt werden müsse.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte in der vergangenen Woche vor dem Hintergrund aktueller Treibhausgasemissionen erklärt, der Verkehrsbereich sei „das Sorgenkind“. Alle bisher vorgesehenen Maßnahmen reichten nicht, um hier die große CO2-Lücke zu schließen. Nach dem Mobilitätsgipfel äußerten sich weder der Grünen-Politiker noch Verkehrsminister Volker Wis­sing zu möglichen weiteren Optionen.

Nach Angaben des Regierungssprechers bekräftigten die Gipfelteilnehmer das Ziel, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos auf Deutschlands Straßen zu bringen. „Beim Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur ist nun in erster Linie die Energie- und Automobilwirtschaft gefordert“, betonte er.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der ebenfalls am Gipfel teilnahm, hatte bereits im Vorfeld Kritik am Tempo der Umstellung auf die E-Mobilität geübt. „Wir sind in allen wesentlichen Zielgrößen, die sich die Bundesregierung selber gesetzt hat, deutlich im Verzug“, monierte er im Deutschlandfunk. In den Punkten, die für eine Mobilitätswende wesentlich seien, liege man weit hinter der nötigen Ausbaugeschwindigkeit.

Kein Henne-Ei-Problem mehr

„Wir brauchen dringend eine 15-Millionen-E-Auto-Strategie“, forderte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Energieverbands BDEW. Es reiche nicht, sich auf die CO2-Flottengrenzwerte zu verlassen und mit Kaufprämien und über einen vorauslaufenden Ausbau des Ladeangebots die Nachfrageseite anzukurbeln. Ihrer Einschätzung nach geht es jetzt darum, das Angebot an E-Autos zu erhöhen. Nachfrage und Akzeptanz seien bereits hoch. „Die Auslastung der Ladesäulen liegt bei rund 15%, da ist ordentlich Luft nach oben. Das Henne-Ei-Problem im Markt existiert nicht mehr.“

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), verwies hingegen darauf, dass gerade der Ausbau der Ladeinfrastruktur in dünn besiedelten Gebieten Voraussetzung für den Durchbruch der Elektromobilität und von zentraler Bedeutung für die Verkehrswende sei. Und der Geschäftsführer des TÜV-Verbands, Joachim Bühler, betonte, dass es auch einen Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos geben müsse. Wichtigste Voraussetzung dafür sei ein einheitlicher Standard für den Zustand der Batterie und klare Vorgaben für das Recycling der Stromspeicher.

Die neue Strategieplattform soll künftig regelmäßig tagen. Die Rede war von etwa zwei Treffen im Jahr. Im Vorfeld der jetzigen ersten Runde war unter anderem Kritik an der stark „autolastigen“ Zusammensetzung des Teilnehmerkreises laut geworden, was eine echte Verkehrswende erschwere. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) hatte hingegen von einer „Alibiveranstaltung“ gesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, sich endlich zum Automobilstandort Deutschland zu bekennen.

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