Konjunktur

Neue Daten heizen Inflations­debatte an

Die Inflation in Deutschland liegt so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Neue Daten nähren nun die Hoffnung auf eine Trendwende. Aber noch leiden vor allem ärmere Haushalte besonders. Die EZB zeigt sich handlungsbereit.

Neue Daten heizen Inflations­debatte an

ms Frankfurt

Neue Preisdaten haben die Hoffnung genährt, dass die hohe Inflation in Deutschland allmählich zumindest ihren Höhepunkt erreicht – wenngleich ein schneller Rückgang der Teuerung wenig wahrscheinlich erscheint. Zugleich untermauert eine neue Studie, dass es vor allem ärmere Haushalte sind, die besonders unter der Inflation leiden – wodurch sich die soziale Kluft verschärfe. Derweil geht die Debatte über den weiteren EZB-Zinskurs und Zinserhöhungen über das sogenannte neutrale Niveau hinaus weiter.

Die Inflation in Deutschland liegt so hoch wie seit Jahrzehnten nicht und ist im Oktober laut EU-Berechnung (HVPI) auf 11,6% gesprungen. Aktuell wird sie durch den Ukraine-Krieg befeuert. Aber sie hat auch schon vor Kriegsausbruch kräftig angezogen und jetzt breitet sich der Preisdruck immer weiter aus. Das setzt auch Politik und Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck. Die EZB hat im Juli nach langem Zögern die Zinswende vollzogen und erhöht die Leitzinsen nun so aggressiv wie nie. Zugleich droht aber eine Rezession, weswegen der weitere Zinskurs auch im EZB-Rat umstritten ist.

Am Dienstag wurde nun bekannt, dass die Preise im deutschen Großhandel im Oktober langsamer gestiegen sind als in jedem Monat seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Sie erhöhten sich um 17,4% im Vergleich zu September, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das ist der kleinste Zuwachs seit Februar, als der Krieg begann. Im September gab es noch ein Plus von 19,9%. Der bisherige Höhepunkt wurde im April mit 23,8% erreicht – die stärkste Zunahme seit Einführung der Statistik im Jahr 1962. Gemessen am Vormonat September fielen die Großhandelspreise um 0,6%, weil etwa Mineralölerzeugnissen günstiger zu haben waren.

Das befeuert die Diskussionen über eine mögliche Kehrtwende bei der Inflation. „Ist das jetzt die Trendwende für die Inflation? Da wäre ich noch vorsichtig“, sagte allerdings LBBW-Ökonomen Jens-Oliver Niklasch. „Vor allem für Haushaltsenergie ist vermutlich noch nicht alles bei den Endverbrauchern angekommen“, so der Experte. Auch bei Lebensmitteln seien weiter steigende Preise zu erwarten angesichts höherer Dünger-, Energie- und Transportkosten. „Da wir mit zweistelligen Inflationsraten zu tun haben, wird es bis zu einer Inflationsrate, die nicht mehr Tagesgespräch ist, noch einige Zeit dauern“, erwartet der Ökonom.

Durch die stark steigenden Verbraucherpreise öffnet sich die soziale Schere weiter, wie aus einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Berechnung des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hervorgeht. Während die Inflationsrate für Familien mit niedrigem Einkommen demnach im Oktober bei 11,8% gelegen hat, kommen Alleinlebende mit hohem Einkommen auf eine deutlich geringere haushaltsspezifische Teuerungsrate von 8,4%. Die stärksten Preistreiber – Energie und Lebensmittel – machten bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil aus, so die Forscher.

Derweil sagte Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau­, dass die EZB wohl im Dezember den „Normalisierungsbereich“ erreichen werde, der bei einem Einlagenzins von rund 2% taxiert werde. Derzeit liegt der Satz bei 1,5%. Die EZB werde die Zinsen dann wahrscheinlich weiter anheben. Aber dies werde dann möglicherweise flexibler und in einem weniger raschen Tempo geschehen. „Jumbo-Zinserhöhungen werden keine neue Gewohnheit werden“, sagte Villeroy de Galhau. Die Euro-Notenbanker ringen aktuell da­rum, wie stark die Leitzinsen in den restriktiven Bereich erhöht werden müssen, der die Wirtschaft bremst.

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