Regulierung

Peking fährt Tech-Kampagne zurück

China hat sich nach der scharfen Wende in der Coronapolitik nun auch zu einer Kurskorrektur im Umgang mit der heimischen Tech-Branche entschlossen. Beides bekommt chinesischen Tech-Aktien äußerst gut.

Peking fährt Tech-Kampagne zurück

nh Schanghai

Die chinesische Regierung sendet immer neue Signale, dass sie den vor mehr als zwei Jahren mit dem Last-Minute-Verbot des Börsengangs des Fintech-Riesen Ant Group losgetretenen regulatorischen Feldzug gegenüber führenden Internetkonzernen und Onlineplattform-Betreibern für beendet ansieht. In den ersten zwei Wochen des neuen Jahres haben sich einerseits Äußerungen von chinesischen Politikern und Regulatoren gehäuft, die von einer Vitalisierung und Förderung der sogenannten „Plattform-Ökonomie“ sprechen, andererseits erhalten eine Reihe von heimischen Tech-Unternehmen Mitteilungen über einen förmlichen Abschluss von Untersuchungsverfahren und die Beendigung von Strafaktionen.

Mit der politischen Kurskorrektur in Peking verbindet sich erhebliches Kurspotenzial für chinesische Technologieaktien, die in den vergangenen Wochen bereits von den konjunkturellen Perspektiven des Pekinger Ausstiegs aus der Null-Covid-Politik, also dem mit harten Restriktionen verbundenen chinesischen Corona-Kontrollregime stark beflügelt worden waren. Chinesische Technologieaktien hatten zwischen Februar 2021 und Oktober 2022 eine extreme Baissebewegung durchgemacht, wo­bei die als politische Willkür empfundenen Strafmaßnahmen gegenüber einer Reihe von großen Tech-Unternehmen und ihren Gründermilliardären eine wichtige Rolle spielten. Nachdem die an der Hongkonger Börse und in New York notierten chinesischen Tech-Aktien bereits ab November von Spekulationen über eine Lockerung der Coronapolitik stark profitiert hatten, wurde die Tech-Rally zu Jahresbeginn von den Signalen zur Beendigung der Tech-Kampagne nochmals angeheizt.

Als neuester Beleg für eine konziliantere Haltung Pekings im Umgang mit zuvor extrem hart angefassten Technologiefirmen gilt nun eine Mitteilung des führenden chinesischen Fahrdienstanbieters Didi Global, dass die seit 18 Monaten währende Sperre für die Registrierung von Kunden auf der Didi-Plattform nun aufgehoben worden ist. Am Montag bestätigte auch die Pekinger Cybersecurity-Regulierungsbehörde die Erteilung einer Genehmigung zur Aufnahme neuer Nutzer. Damit dürfte die seit Sommer 2021 aus chinesischen App-Shops verbannte Didi-App in Kürze wieder zurückkehren und der Gesellschaft zusätzliches Wachstum über eine Neukundenregistrierung ermöglichen.

Der Fall Didi war zu einem regelrechten Symbol für einen Rachefeldzug der chinesischen Parteiführung im Umgang mit „ungehorsamen“ Tech-Unternehmen geworden, wo­bei die Gesellschaft für einen offensichtlich politisch unerwünschten Börsengang in New York heftig bü­ßen musste. Didi hatte in einem durch Pekinger Regulierungsattacken auf heimische Tech-Unternehmen bereits drastisch verschlechterten Marktklima im Frühjahr 2021 eine Art Blitzaktion für ein Listing in den USA gestartet und war damit einer Intervention der Cybersecurity Administration of China (CAC) zuvorgekommen, die im Be­griff war, neue Regeln für die Kontrolle von Datenkonzernen mit Be­zug auf nationale Sicherheit zu setzen.

Die CAC rächte sich nur wenige Tage nach dem Handelsstart am 30. Ju­ni in New York mit einem Verfahren wegen Datensicherheitsverstößen und belegte Didi mit einer bis heute andauernden Neukundensperre, die Wachstumsperspektiven des chinesischen Pendants zu Uber völlig über den Haufen geworfen hat. Letztlich zwangen die Regulatoren das Didi-Management dann, die Börsenpräsenz in den USA ganz aufzugeben. Während des unrühmlichen Wall-Street-Auftritts hatte die Didi-Aktie 84% ihres Wertes beziehungsweise 57 Mrd. Dollar eingebüßt. Im Juli vergangenen Jahres wurde Didi Global nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens der CAC wegen „illegaler Aktivitäten“, Verstößen gegen Datenschutzauflagen und Verletzungen der Bestimmungen zur nationalen Sicherheit mit einer gewaltigen Strafe in Höhe von 8 Mrd. Yuan (rund 1,1 Mrd. Euro) belegt. Obwohl Didi ihre „Straftaten“ damit eigentlich bereits gebüßt hatte, dauerte es nochmals ein halbes Jahr, bis nun auch die Neukundensperre aufgehoben wurde. Analysten gehen davon aus, dass es nun noch einige Zeit brauchen wird, bevor Didi das Thema eines neuerlichen Börsenauftritts in Hongkong oder auf dem chinesischen Festland angehen darf.

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