Kroatiens Euro-Beitritt

Realismus statt Euphorie

Kroatien ist als 20. Mitglied der Eurozone beigetreten. Bei aller Freude über und Respekt für den Weg ist auch eine gehörige Portion Realismus und Vorsicht angesagt – für Kroatien, aber auch für Euroland.

Realismus statt Euphorie

Die Diskrepanz zwischen der von Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission offiziell proklamierten Euphorie über den Beitritt Kroatiens zum Euroraum einerseits und der großen Skepsis der Menschen im Land und vieler auswärtiger Experten andererseits ist frappierend. Tatsächlich ist bei aller Freude über und Respekt für den Weg Kroatiens auch eine gehörige Portion Realismus und Vorsicht angesagt – für Kroatien selbst, aber auch für Euroland.

Keine Frage: Der Euro-Beitritt ist der vorläufige Höhepunkt eines beeindruckenden, 30-jährigen Weges der ehemaligen Teilrepublik Jugoslawiens. Für das Erreichte gilt Kroatien Anerkennung – genau wie jetzt für das Erfüllen der Kriterien zur Euro-Einführung. Und der Euro kann sich für die kroatische Wirtschaft sicher als Stabilitätsanker erweisen: So profitiert die prägende Tourismusindustrie zweifellos vom Euro, und als Euro-Mitglied verbessert sich der Zugang zu den Kapitalmärkten. Zugleich sind aber die Sorgen vieler Menschen im Land vor steigenden Lebenshaltungskosten alles andere als unberechtigt, zumal wenn die Währungsumstellung genutzt wird, um Preise aufzurunden. Und das Wohlstandsversprechen durch den Euro ist kein Selbstläufer. Es reicht nicht, die Kriterien für den Beitritt zu erfüllen. Vielmehr gilt es, sich dauerhaft zu qualifizieren.

Ganz konkret heißt das: Die Regierung in Zagreb muss den eingeschlagenen, mitunter schmerzhaften Reformkurs fortsetzen. Dass sich Kroatien durchaus positiv hervortut, wenn es um die Reformen im Zuge des Corona-Wiederaufbaufonds geht, macht Mut. Dass die Euro-Mitgliedschaft beileibe keine Garantie für wirtschaftliche Stabilität ist, wenn ein Land über seine Verhältnisse lebt oder nötige Reformen verschleppt, hat nicht nur das Beispiel Griechenland gezeigt. Auch die fortwährenden Probleme Italiens belegen, dass es nicht reicht, sich auf dem Euro oder etwaiger EZB-Unterstützung auszuruhen.

Für die Währungsunion wiederum zeugt der erste Beitritt seit Litauen im Jahr 2015 zweifellos von der Attraktivität des Euro. Da hat EZB-Chefin Christine Lagarde recht. Die Heterogenität des Euroraums wird mit dem Beitritt aber sicher nicht kleiner. Das macht die Aufgabe der EZB, für eine einheitliche Geldpolitik zu sorgen, keinesfalls einfacher. Deswegen gilt es, den Euroraum nicht blindlings zu erweitern, sondern stets genau hinzuschauen. Eine Aufnahme Bulgariens Anfang 2024 käme nach aktuellem Stand beispielsweise viel zu früh. Zudem muss sich auch die Währungsunion fit machen für die Zukunft – vor allem durch die überfällige Kapitalmarktunion, aber auch durch sinnvolle Schritte hin zu einer stärker gemeinsamen Fiskalpolitik.

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