Rishi Sunak setzt sich durch
Von Andreas Hippin, London
Rishi Sunak (42) ist am Montag zum dritten britischen Premierminister des Jahres 2022 gekürt worden. Nachdem Boris Johnson am Ende doch nicht erneut antreten wollte, war Penny Mordaunt die einzige Gegenkandidatin. Sie warf wenige Minuten vor Ablauf der Frist, zu der sie die Unterstützung von 100 Unterhausabgeordneten hätte nachweisen müssen, das Handtuch.
Der Hoffnungsträger der britischen Konservativen ist damit der erste nicht weiße Politiker an der Spitze des Vereinigten Königreichs. Für den Hindu, der wegen seines Glaubens auf Rindfleisch verzichtet, kommt das neue Amt zur rechten Zeit: Gerade beginnt das Lichterfest Diwali, ein fröhliches Fest, bei dem es um den Sieg des Guten über das Böse geht. Sunak, der Hindi und Punjabi spricht, war lange Zeit in Indien bekannter als in Großbritannien. Denn seine Frau Akshata ist die Tochter von Nagavara Ramarao Narayana Murthy, der den IT-Dienstleister Infosys mitgegründet hat. Dass sie ihre Steuern nicht ausschließlich in Großbritannien zahlt, war Gegenstand einer Kampagne von Medien wie „Guardian“ und „Independent“, der bösartige Attacken folgten. „Er sollte mit seiner Millionärsfrau zurück nach Indien gehen“, forderte etwa der Londoner Labour-Politiker Peter Carpenter auf Twitter. Dass Sunak in Southampton das Licht der Welt erblickte, spielte dabei keine große Rolle.
Sunaks Großeltern kamen über Ostafrika nach Großbritannien. Bildung war für seine Familie das Wichtigste. Sein Vater arbeitete als NHS-Arzt in Southampton, seine Mutter betrieb eine kleine Apotheke, in der er schon früh aushalf. Die Helden seiner Kindheit unterschieden sich nicht groß von denen seiner Klassenkameraden: Matt Le Tissier, ein Mittelfeldspieler des FC Southampton, war einer von ihnen.
Nachdem Sunak die Anforderungen für ein Stipendium knapp verfehlte, waren seine Eltern gezwungen, mehr zu arbeiten, um ihn auf das renommierte Winchester College schicken zu können. Doch er machte ihnen alle Ehre: Sunak war der erste Head Boy indischer Abstammung an der ältesten britischen Privatschule, die bis dahin nicht gerade zu den Vorreitern in Sachen Diversität zählte. Der bekennende Coca-Cola-Süchtige, der Schuluniformen aus zweiter Hand trug, studierte Philosophie, Politik und Wirtschaftswissenschaften am Lincoln College in Oxford. Mit Hilfe eines Fulbright-Stipendiums erwarb er danach einen MBA an der Standford University. In Kalifornien lernte er auch seine Frau kennen. Sunak gilt als einer der vermögendsten Politiker des Landes. Vor seinem Einzug ins Unterhaus arbeitete er für Goldman Sachs, Christopher Hohns Hedgefonds TCI (The Children’s Investment Fund) und den Hedgefonds Theleme Partners.
Zu seinen Förderern in der Regierungspartei gehörte der ehemalige Außenminister William Hague. Seit 2015 vertritt er den Wahlkreis Richmond (Yorkshire) im Unterhaus. Hier habe es seit der Eroberung Englands durch die Normannen keine Zuwanderung gegeben, lautet ein gängiger Spruch, der die vergleichsweise wohlhabende Gegend im Norden Englands recht zutreffend beschreibt. Vor dem EU-Referendum 2016 sprach er sich für den Austritt aus der Staatengemeinschaft aus. Der Brexit werde das Land „freier, fairer und wohlhabender“ machen, sagte er damals. Sunak stimmte bei allen drei Abstimmungen über Theresa Mays Brexit-Deal dafür. Boris Johnson machte ihn im Februar 2020 zu seinem Schatzkanzler. Ihm verdanken die Briten die großzügige Kurzarbeitsregelung während der Pandemie. Als er mit seinem Rücktritt im Juli den Sturz von Johnson einleitete, begründete er dies damit, dass beide grundverschiedene Herangehensweisen an wirtschaftliche Fragen verfolgten. Im Kampf um die Nachfolge Johnsons zog er gegen Liz Truss den Kürzeren. Die Unterhausfraktion der Tories hätte ihn mit großer Mehrheit zum neuen Parteichef gemacht. Doch die Mitglieder zogen Truss vor.