Rufe nach Boris Johnson werden lauter
Von Andreas Hippin, London
Böse Zungen haben stets behauptet, Boris Johnson (58) habe sich Liz Truss als Nachfolgerin gewünscht, weil er wusste, dass sie die Sache in den Sand setzen und ihm so die Möglichkeit zu einem Comeback eröffnen würde. Nun ist es also so weit, könnte man denken. Truss hat sich nach 44 Tagen verabschiedet und ist damit als britische Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit mit Sicherheit im nächsten Update des Spiels Trivial Pursuit enthalten.
Johnson wird das Geschehen in seinem Urlaub in der Dominikanischen Republik aufmerksam verfolgt haben. Neben dem „Alles, bloß nicht Boris!“ seiner Gegner werden in Großbritannien die „Bring back Boris!“-Rufe lauter. Dahinter stecken neben seinen überzeugten Anhängern vor allem Mandatsträger, die glauben, dass ihm eine Art Feenstaub anhaftet, der ihnen in seinem Gefolge die Wiederwahl sichert. Angeblich wirbt der einst wortgewaltige Journalist bereits mit dem Argument für sich, dass nur er die nächsten Wahlen für die Tories gewinnen könne. Offenbar will er sich doch nicht aufs Geldverdienen konzentrieren, wie zunächst berichtet worden war.
Seine Fans glauben, dass er schnell die Unterstützung von 100 Unterhausabgeordneten zusammenbekommen wird, die er bräuchte, um gegen seinen ehemaligen Schatzkanzler Rishi Sunak und andere Rivalen antreten zu können. Tim Montgomerie, der die Website Conservative Home an den Start gebracht hat, erwartet sogar, dass es 140 Unterstützer werden könnten. Der prominente Brexiteer und Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg stellte sich als erstes Kabinettsmitglied öffentlich hinter ihn. Verteidigungsminister Ben Wallace nahm sich am Freitag aus dem Rennen und gab an, er tendiere dazu, Johnson zu unterstützen. Dem „Telegraph“ zufolge hat Sunak bislang die öffentliche Unterstützung von 75 Abgeordneten, Johnson kommt auf 41 und Penny Mordaunt auf 18. Dem Blatt zufolge will sich Johnson mit Sunak, der ihn letztlich zu Fall gebracht hatte, versöhnen.
Bei den Wählern und an der Parteibasis ist Johnson aller Skandale und Skandälchen zum Trotz nach wie vor beliebt. Doch fällt es ihm schwer, Entscheidungen zu treffen. Seine Zaghaftigkeit in manchen Dingen erinnerte manche in der Partei an seine Vorgängerin Theresa May. Es wäre durchaus vorstellbar, dass Johnson zum Comeback ansetzt und sich bis Montagmittag bei Graham Brady, der den Truss-Nachfolgeprozess organisiert, als Kandidat für die Parteispitze meldet.
Bislang ist es allerdings lediglich William Gladstone gelungen, die Parteiführung und das Amt des Premierministers zurückzuerobern – das war vor 140 Jahren und es handelte sich um die Liberal Party. Kommt Boris wieder, würden die Karten neu gemischt. Johnson ist kein Thatcherist. Während seiner Amtszeit übernahm der Staat neue Aufgaben, die öffentlichen Ausgaben schossen weiter nach oben und die Steuern wurden erhöht. Doch es wäre das Ende des Managerismus, der mit Jeremy Hunt und Grant Shapps ins Kabinett Einzug hielt.