Geldpolitik

Sanfter EZB-Bilanzabbau erwartet

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht nächste Woche vor einer sehr wichtigen Sitzung. Die Beobachter treibt neben der Zinspolitik zunehmend die Frage der aufgeblähten EZB-Bilanz um. Sie erwarten ein sehr vorsichtiges Vorgehen der EZB. Durch die Rückzahlung von EZB-Krediten nimmt die Bilanz bereits ab.

Sanfter EZB-Bilanzabbau erwartet

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Einschätzung von Volkswirten im ersten Quartal 2023 mit dem expliziten Ab­bau ihrer aufgeblähten Bilanz beginnen, dabei aber sehr vorsichtig vorgehen – und die auf 5 Bill. Euro angeschwollenen Anleihebestände im Jahresverlauf nur um 175 Mrd. Euro zurückfahren. Entsprechende Erwartungen äußerten die Ökonomen in am Freitag veröffentlichten Umfragen von Bloomberg und Reuters – wenige Tage vor der wichtigen Zinssitzung nächsten Donnerstag. Derweil kann die EZB in Sachen Bilanz bereits einen Teilerfolg verbuchen: Im Dezember wollen die Banken erneut hunderte Milliarden Euro an langfristigen EZB-Liquiditätshilfen (TLTRO III) vorzeitig zurückzahlen – wie bereits im November auch. Dadurch nimmt die EZB-Bilanz auch bereits deutlich ab.

Die EZB-Bilanz rückt im Zuge der Normalisierung der EZB-Geldpolitik immer stärker in den Fokus. Durch die Maßnahmen in den Krisenjahren ist sie auf rund 8,5 Bill. Euro angeschwollen. Vor allem die Hardliner im EZB-Rat („Falken“) dringen auf einen raschen Abbau der Bilanz als Ergänzung zur beispiellosen Zinswende. Seit Juli hat die EZB ihre Leitzinsen bereits um 200 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie zuvor. Die „Tauben“ mahnen dagegen zur Vorsicht. Die Euro-Notenbanker stecken in einem gewissen Dilemma zwischen der mit 10,0% viel zu hohen Inflation und zunehmenden Rezessionsgefahren.

In einer Bloomberg-Umfrage gaben die befragten Volkswirte nun an, dass sie erwarten, dass die EZB im Laufe des ersten Quartals 2023 damit beginnt, ihre Bestände beim Anleihekaufprogramm APP zurückzufahren. Die weit überwiegende Mehrheit geht dabei davon aus, dass die EZB einen Teil der fällig werdenden APP-Papiere nicht mehr ersetzt, aber nicht aktiv Anleihen verkauft. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatte unlängst erklärt, dass er einen Beginn des Bilanzabbaus im ersten Quartal erwarte.

Wie aus einer Reuters-Umfrage hervorgeht, prognostizieren Ökonomen aber einen sehr vorsichtigen Kurs der EZB. Sie erwarten demnach im Mittel (Median), dass die EZB 2023 ihre APP-Bondbestände um rund 175 Mrd. Euro zurückfahren wird. Die Schätzungen reichten indes von 75 bis 600 Mrd. Euro. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und andere Notenbanker hatten zuletzt betont, dass es ein umsichtiges und vorhersehbares Vorgehen brauche.

Unterdessen nimmt die EZB-Bilanz bereits merklich ab, weil die Banken im Euroraum hunderte Milliarden Euro an TLTRO-III-Krediten zurückzahlen. Die Geldhäuser planen, am 21. Dezember 447,5 Mrd. vorzeitig zurückzugeben, wie die EZB am Freitag mitteilte. Das Dezember-Volumen liegt merklich oberhalb der durchschnittlichen Markterwartungen, nachdem der November-Wert darunter gelegen hatte. Hinzu kommen 51,9 Mrd. Euro Kredite, die regulär fällig werden (siehe Grafik). Die neuerlichen vorzeitigen Rückzahlungen tragen „weiter zum Rückgang der Bilanz des Eurosystems“ bei, betonte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel auf Twitter.

Die EZB hatte im Oktober beschlossen, die Bedingungen für die TLTRO nachträglich zu ändern – um diese in Einklang zu bringen mit ihrer Zinswende und um risikolose Zinsgewinne der Banken zu kappen. In der Finanzbranche hatte die Entscheidung für viel Ärger gesorgt. Sogar Klagen stehen im Raum. Nach Informationen der Börsen-Zeitung aus Finanzkreisen haben sich etliche Banken umgehend juristischen Rat eingeholt. Die sie beratenden Kanzleien hätten jedoch von Klagen abgeraten, weil die Erfolgsaussichten gering und die Reputationsrisiken hoch seien, heißt es in informierten Kreisen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass ein Institut noch vor Gericht zieht.

Durch die unerwartet zügige Zinswende konnten die Banken mit risikolosen Zinsgewinnen über zig Milliarden Euro rechnen, ehe die EZB dem einen Riegel vorschob. Banken, die sich via TLTRO III mit besonders viel Liquidität eingedeckt haben, entgehen dadurch in der Spitze mehrere hundert Millionen Euro. Manche mussten Absicherungsgeschäfte auflösen, die sie in Zusammenhang mit TLTRO III abgeschlossen hatten.

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