Schwieriger Start für den neuen Chef von ProSiebenSat.1
Von Joachim Herr, München
Allerheiligen am kommenden Dienstag ist in Bayern zwar ein Feiertag, aber Bert Habets (51) beginnt dann mit der Arbeit in seinem Büro in der Medienallee in Unterföhring, nordöstlich von Münchens. Der neue Vorstandschef von ProSiebenSat.1 hat keine Zeit zu verlieren. Die Lage ist schwierig, wenn auch für das Unternehmen und den früheren RTL-Chef Habets nicht neu: Läuft die Konjunktur schlecht, reagieren die Werbekunden rasch und senken die Ausgaben für TV-Reklame.
In diesem Jahr trifft es die Branche wieder einmal, ProSiebenSat.1 härter, als vor einigen Wochen erwartet. Am späten Donnerstagabend berichtete das Unternehmen von einem Umsatz- und Ergebnisrückgang im dritten Quartal, einer Sonderabschreibung auf Nucom – den Beteiligungen an Onlinehändlern und Verbraucherportalen – und einer gesenkten Jahresprognose. Grund ist das schwache Werbegeschäft. Mit einem Umsatzanteil von rund 40% und hohen Margen ist die klassische Fernsehwerbung besonders wichtig.
Von Juli bis September blieben die Werbeerlöse mit 430 Mill. Euro 10% unter dem relativ starken Vorjahresquartal. Auf ein gutes Weihnachtsgeschäft kann Habets nicht hoffen. ProSiebenSat.1 rechnet damit, dass die Werbeerlöse im Schlussquartal rund 130 Mill. Euro oder 17% unter dem Vorjahreswert von 776 Mill. Euro liegen werden. Das hat Folgen für die Umsatz- und Ergebnisprognose: Für 2022 werden nun ein Konzernerlös von 4,15 (bisher: 4,38) Mrd. Euro und ein um Sondereffekte bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von 650 (780) Mill. Euro erwartet.
Ein Vorteil für Habets ist, dass die Latte dann niedriger liegt. Das Werbegeschäft bleibt allerdings angesichts des tiefgekühlten Konsumklimas vorerst schlecht. Wegen der großen Unsicherheiten buchen die Werbekunden deutlich zurückhaltender, wie Finanzvorstand Ralf Gierig feststellt. Auch die Angebote der Onlinehändler und Verbraucherportale würden weniger genutzt.
Für Habets sind das ungünstige Rahmenbedingungen, doch seine Aufgabe ist in erster Linie, den Wandel zum Digitalkonzern voranzutreiben. Deshalb hat ihn der neue Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Wiele, früher im Vorstand von Axel Springer, an die Stelle von Rainer Beaujean auf den Chefposten gehievt. Beaujean verließ das Unternehmen, wie berichtet, sofort nach dieser Entscheidung am 3. Oktober. Sein Nachfolger kam schon in diesem Monat ab und zu ins Unternehmen, um sich in Gesprächen mit den drei anderen Vorständen ein genaueres Bild zu machen.
Video für die Mitarbeiter
Habets kannte ProSiebenSat.1 schon zuvor etwas näher. Denn im Mai hatte die Hauptversammlung ihn und Wiele in den Aufsichtsrat gewählt. Dieses Mandat endet nun freilich. Den Mitarbeitern von ProSiebenSat.1 stellt sich der Niederländer in einem Video-Interview vor. Er beantwortet darin Fragen – zum Beispiel, was er als RTL-Chef von dem Konkurrenten hielt, welchen Eindruck er inzwischen von ProSiebenSat.1 hat und zudem wie er seine Freizeit verbringt. So erfahren die Mitarbeiter, dass der Vater von fünf Kindern gern kocht und wandert. Während die Familie in den Niederlanden bleibt, wird Habets zumindest von Montag bis Donnerstag in Unterföhring sein.