Gasimporteur

Uniper im Schoß des Staates

Die Lufthansa wurde mit staatlichen Mitteln gerettet, doch der Fall taugt nicht als Blaupause für die Rettung von Uniper. Im Gegensatz zu Deutschlands größtem Gasimporteur verfügte die Airline über ein funktionierendes Geschäftsmodell.

Uniper im Schoß des Staates

Es war durchaus ein Hingucker, als Uniper in der vorigen Woche öffentlich eingestehen musste, dass die Hälfte des bilanziellen Eigenkapitals aufgebraucht ist. Das kam zwar alles andere als überraschend und hat auch keine direkten Folgen, doch ist § 92 AktG nun einmal eine Gesetzesvorschrift, die nicht tagtäglich zum Einsatz kommt, schon gar nicht bei Großunternehmen. Selbst Lufthansa musste in der Corona-Pandemie, in der anfänglich Stunde um Stunde 1 Mill. Euro verbrannt wurde, keine Verlustanzeige vornehmen. Hier war der Staat mit seiner Rettungsaktion, die in der Teilverstaatlichung mündete, schnell genug.

Allerdings taugt das Beispiel Lufthansa kaum als Blaupause für die Rettung von Deutschlands größtem Gasimporteur und -händler, dem die allzu große Abhängigkeit von russischem Pipelinegas gerade um die Ohren fliegt. Allen voran verfügte die Lufthansa über ein funktionstüchtiges Geschäftsmodell. Das ist Uniper mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dauerhaft abhandengekommen. Im vorigen Jahr und damit vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs und dem nachfolgenden Gaslieferstopp seitens Gazprom stammten drei Viertel der operativen Erträge von 1,2 Mrd. Euro aus dem globalen Handel und der russischen Stromerzeugung. Ohne Gaslieferungen aus Russland und dem Ergebnisbeitrag der russischen Tochter Unipro ist die Ertragsbasis um ein Vielfaches geringer. Zugleich steckt der Versorger noch über Jahre in langfristigen Lieferverträgen mit Stadtwerken und Industriekunden fest. Diese Verträge stammen aus Zeiten, als die Energiewelt noch in marktwirtschaftlicher Ordnung war. Entsprechend niedrig sind die vertraglich festgelegten Preise, zu denen Uniper auch morgen noch liefern muss.

Eine Insolvenz, mit der sich Uniper vermutlich aus den verlustbringenden Verträgen hätte lösen können, hat die Bundesregierung wohlweislich nicht zugelassen. Denn dann wäre hierzulande die gesamte Energieversorgung zusammengebrochen, geht ohne Gas von Uniper bei zahlreichen Stadtwerken doch das Licht aus. Doch der Traum, nur mit einer Minderheit ins Kapital einzusteigen, war binnen zwei Monaten ausgeträumt. Seit Ende September steht fest, dass das Unternehmen komplett verstaatlicht wird. Wie teuer die Rettung den Steuerzahler kommt, ist dabei längst noch nicht ausgemacht. Klar ist nur, dass die knapp 30 Mrd. Euro, die im September ins Fenster gestellt wurden, hinten und vorne nicht reichen werden. Keine Frage, dass an der Verstaatlichung kein Weg vorbeiführt. Das Ausstiegsszenario sollte bei der Übernahme jedoch schon mitgedacht werden. Anders als bei Lufthansa wird die Rückzahlung der Staatsmilliarden bei Uniper nämlich kein Selbstläufer.

Neben dem Handel mit Gas betreibt Uniper Wasser-, Gas-, Atom- und Kohlekraftwerke in Deutschland, Großbritannien, Schweden, den Niederlanden und Ungarn. Wenngleich das Engagement in der Kohleverstromung in Zeiten der Energiekrise mit Strompreisen auf Rekordniveaus und ans Netz zurückgeholten Kohlekraftwerken ein einträgliches Geschäft sein mag, gehört zur Wahrheit eben auch, dass die unter Umweltaspekten katastrophale Kohleverstromung keine Zukunft hat. Erst kürzlich hat sich RWE mit der Bundesregierung darauf verständigt, den Ausstieg aus der Kohleverstromung auf 2030 vorzuziehen. Erst einmal in Staatshand, wird es für Uniper kaum noch Argumente geben, die für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ausgehandelte Laufzeit bis 2038 auszuschöpfen. Umgekehrt dürften die Erzeugungsaktivitäten im Ausland über kurz oder lang auf den Prüfstand kommen.

Zugegeben, die Expertise im Gashandel ist ein echtes Asset. Dadurch ist Uniper in der Lage, verflüssigtes Erdgas aus aller Herren Länder zu beschaffen. Zudem sind die Düsseldorfer am Bau des ersten Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven beteiligt, ein entscheidender Beitrag zur Versorgungssicherheit. Noch spricht in Berlin niemand laut darüber, die Rettung Unipers als ersten Schritt zur Verstaatlichung der systemkritischen Infrastruktur zu verstehen. Doch schaut man sich in Europa um, reihte sich Deutschland damit lediglich in die Phalanx seiner Nachbarstaaten ein. So hat Frankreich jüngst das Verfahren zur Komplettübernahme des Versorgers EDF eingeleitet. Slowenien denkt laut über die Verstaatlichung des Gasimporteurs Geoplin nach, und der finnische Staat hat seine Beteiligung an der Noch-Uniper-Mutter Fortum aufgestockt. Der Bund will sich dagegen mit dem Erhalt der Börsennotierung die Option offen lassen, Uniper wieder zu privatisieren. Ohne tragfähiges Geschäftsmodell werden sich jedoch kaum Investoren finden lassen.

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