Unternehmen finden zurück zur Zuversicht
ba Frankfurt
Die deutschen Unternehmen blicken zu Jahresbeginn optimistischer in die Zukunft, die aktuelle Lage allerdings wird immer noch als schwierig eingeschätzt. Ökonomen werten daher den vierten Anstieg des Ifo-Geschäftsklimas in Folge – das wichtigste Frühbarometer für die hiesige Wirtschaft kletterte im Januar um 1,6 auf 90,2 Punkte – zwar als weiteren Beleg, dass eine Rezession unwahrscheinlicher geworden ist. Zugleich warnen sie aber vor zu großem Optimismus.
„Die deutsche Wirtschaft startet zuversichtlicher ins neue Jahr“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 9 000 Firmenlenkern. Die Stimmungsaufhellung im Januar beruhte auf den „merklich weniger pessimistischen Erwartungen“. Mit den laufenden Geschäften zeigten sich die Befragten hingegen etwas unzufriedener. Mit diesen Ergebnissen fügt sich die Ifo-Umfrage nahtlos in das Bild ein, das zuletzt die Stimmungsumfragen des Analysehauses Sentix, des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) oder der von S&P Global erhobene Einkaufsmanagerindex gezeichnet hatten. „Den Anstieg des Geschäftsklimas kann man schon fast routiniert zur Kenntnis nehmen“, lautete denn auch das Fazit von LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Allerdings habe offenbar „das eine oder andere Unternehmen wachsende Schwierigkeiten, mit dem Dreiklang aus hohen Energiepreisen, gestörten Lieferketten und steigenden Zinsen zurechtzukommen“. Vielleicht mache sich aber auch der Rückgang der Neuaufträge im zweiten Halbjahr schon bemerkbar, mutmaßt Niklasch.
„Die Auftragsbücher der Industriebetriebe sind immer noch sehr gut gefüllt“, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. Deren Reichweite liege bei knapp fünf Monaten, der langjährige Schnitt dagegen bei weniger als drei. „Das schafft Raum für Produktionssteigerungen in den kommenden Monaten.“ Zumal sich die Lage bei den Materialknappheiten weiter entspannt. Weniger als jedes zweite Unternehmen klagte im Januar noch über Lieferengpässe. Die Stimmung in der Industrie hat sich weiter verbessert.
Im Einzelhandel, der unter der Konsumzurückhaltung der privaten Verbraucher leidet, ist die Stimmung laut Ifo deutlich gestiegen. Insbesondere die Erwartungen hätten sich verbessert. Wohlrabe betont jedoch, dass der private Konsum von Januar bis März niedriger ausfallen dürfte als zum Jahresende 2022 – auch wegen Vorzieheffekten. So seien im Dezember sehr viele Elektroautos abgesetzt worden, da die Käufer noch in den Genuss der staatlichen Prämie kommen wollten. „Diese Nachfrage fehlt nun“, sagte Wohlrabe. Zudem müssten viele Verbraucher ab Jahresbeginn deutlich mehr für Strom und Gas bezahlen. „Das Geld fehlt für andere Ausgaben.“ Eine klassische Rezession, also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit Minuswachstum, sieht Wohlrabe aber nicht auf Deutschland zukommen. „Im Frühjahr dürfte die Wirtschaft wieder wachsen“, sagte er. Ende 2022 hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes stagniert. Für das erste Quartal erwartet Wohlrabe einen leichten Rückgang des BIP. „Das liegt vor allem am privaten Konsum.“
Auch im Gastgewerbe zeigen sich die Verbraucher noch zurückhaltend – neben den Bereichen Transport und Logistik klagten hier die Unternehmen besonders, dass sich die laufenden Geschäfte weniger gut entwickelten. Im Dienstleistungssektor insgesamt verbesserte sich das Geschäftsklima im Januar. Im Bauhauptgewerbe hat sich das Geschäftsklima geringfügig verbessert.
Zur Vorsicht mahnen Ökonomen auch mit Blick auf den Zinserhöhungszyklus der EZB: Die Auswirkungen müssten noch in vollem Umfang verdaut werden, sagt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. „Die Nachfrage nach Hypothekenkrediten ist bereits zurückgegangen, und wie in früheren Zinserhöhungszyklen hat es nicht lange gedauert, bis auch die Nachfrage nach Unternehmenskrediten nachgelassen hat.“ Die Auswirkungen der Mehrfachkrisen dürften sich das ganze Jahr hindurch zeigen.