Harmonisierung

Verbände kritisieren EU-Insolvenzrecht

Die Verbände der Restrukturierer bringen sich zu den EU-Vorschlägen für eine Harmonisierung des Insolvenzrechts in Stellung. Besonders die Insolvenzverwalterbranche würde davon durchgerüttelt. Ihre Kritik ist deutlich.

Verbände kritisieren EU-Insolvenzrecht

Von Sabine Reifenberger,

Frankfurt

Seit die EU-Kommission in einem Richtlinienentwurf skizziert hat, wie sie sich eine Harmonisierung des Insolvenzrechts in der EU vorstellt, laufen unter Insolvenzverwaltern und Restrukturierern die Debatten heiß. Zwei Punkte des Entwurfs sorgen für besonders viel Gesprächsstoff. Der erste ist das verwalterlose Verfahren: Für kleine Unternehmen sieht der Entwurf ein vereinfachtes Verfahren vor, das grundsätzlich in Eigenverwaltung abläuft. Nur auf Antrag wird ein Insolvenzverwalter bestellt. Die Verwertung von Vermögenswerten und die Kommunikation zwischen den Beteiligten sollen möglichst standardisiert und digital ablaufen, etwa über Online-Plattformen. Wenig überraschend stößt dies beim Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) auf Kritik.

Eine solche Regelung wäre durchaus weitreichend: Als Kleinstunternehmen gelten Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Umsatz von bis zu 2 Mill. Euro. Insolvenzen dieser Größenordnung sorgen zwar selten für Schlagzeilen, mit mehr als 80 % der Fälle machen sie aber den Großteil der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland aus. Ein verwalterloses Verfahren hätte auch Folgen für die Gerichte: Sie müssten dann Aufgaben übernehmen, die bislang bei den Insolvenzverwaltern liegen. Außerdem sollen Verfahren auch bei Masseunzulänglichkeit eröffnet werden, was zu deutlich mehr Fällen führen würde. Viele Gerichte in Deutschland seien „personell und funktionell nicht dafür ausgerüstet, die ihnen hier zugedachten Aufgaben zu übernehmen“, schreibt der VID in seiner mehr als 150 Seiten langen Stellungnahme zum Richtlinienentwurf. Er fürchtet: Ein verwalterloses Verfahren sei „eine Einladung zum Missbrauch und ein Geschäftsfeld für unseriöse Berater“.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) fürchtet, die Schuldner könnten mit der neuen Regelung überfordert sein. „Die Erfahrungen der Insolvenzpraxis zeigen, dass gerade Schuldner bzw. Geschäftsführer kleiner Unternehmen häufig nicht in der Lage sind, ihre Vermögensverhältnisse zu überschauen und zutreffend zu bewerten“, heißt es in der Stellungnahme. Häufig könne erst durch den Insolvenzverwalter das tatsächliche Vermögen ermittelt werden.

Was kann der Schuldner?

Dass das schlankere Verfahren ohne Verwalter Kosten spart, zweifelt die BRAK an. Ein überforderter Schuldner benötige umfassende anwaltliche Beratung. Die Kosten dafür seien „voraussichtlich höher“ als die bei Verfahren mit kleiner Masse „vergleichsweise geringen Verwaltervergütungen“, meint die BRAK. Die Neue Insolvenzrechts­vereinigung Deutschlands (NIVD), die nach eigenen Angaben rund 350 Mitglieder hat, nennt in ihrem ­Statement sogar konkrete Zahlen: Demnach müssten für die vollstän­dige Abwicklung eines Kleinstverfahrens regelmäßig weniger als 5000 Euro aufgewandt werden, schreibt sie.

Mehrere Verbände bezweifeln den Mehrwert der verwalterlosen Verfahren für Kleinstunternehmen. So sieht etwa die Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland „kein zwingendes Bedürfnis“ für ein solches Verfahren hierzulande. Eine Möglichkeit wäre aus Sicht mehrerer Interessenvertretungen, den EU-Ländern das Verfahren als Option anzubieten, es aber nicht zur Pflicht zu machen.

Der zweite große Diskussionspunkt ist das von der EU vorgeschlagene Pre-Pack-Verfahren: Dieses soll es erlauben, schon vor einem Insolvenzantrag einen schuldenfreien Unternehmensverkauf vorzubereiten. Das Verfahren soll von einem Monitor begleitet werden, diese Position interpretieren die meisten Verbände ähnlich der eines Sachwalters. Der Deutsche Steuerberater-Verband bringt sich dafür schon einmal in Stellung: Aus seiner Sicht „verfügen insbesondere Steuerberater über die erforderliche Eignung, den Verkaufsprozess aktiv zu begleiten und Aufgaben im Pre-Pack-Verfahren auszuführen“.

Alarmglocken schrillen

Das Pre-Pack ähnelt der übertragenden Sanierung im Zuge eines Asset-Deals, bietet aber mehr Durchschlagskraft. So können Verträge, die für die Fortführung eines Betriebes wichtig sind, automatisch auf den Käufer übergehen, ohne dass der Vertragspartner dies ablehnen kann. Dies wäre etwa bei Mietverträgen im Handel ein wichtiges Argument. Aus Sicht der TMA Deutschland würde ein Pre-Pack-Verfahren „wesentlich an Attraktivität gegenüber einer Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens gewinnen“. Bislang sei die Möglichkeit der Vertragsübernahme ein wichtiges Argument für eine Sanierung über das oftmals aufwendigere Insolvenzplanverfahren.

Unter Insolvenzverwaltern dürfte dies die Alarmglocken schrillen lassen. Der VID fürchtet selbst, mit dem Vorschlag werde ein Hauptargument für das Insolvenzplanverfahren „de facto beseitigt“. Entsprechend harsch fällt die Kritik aus: Der VID sieht die „‚erzwungene‘ Überleitung“ eines Vertrags als Eingriff in die Privatautonomie an und rechnet im Falle einer Umsetzung mit „erheblichen Streitigkeiten“.

Plädoyer für Bestehendes

Auch beim Pre-Pack-Verfahren verweisen mehrere Verbände auf den ihrer Ansicht nach gut funk­tionierenden Status quo: Der Bundesrechtsanwaltskammer „erscheint eine weitere bzw. anders gestaltete Regelung eines Pre-Package-Verfahrens entbehrlich“, und auch der NIVD scheint ein zusätzliches Verfahren „nicht erforderlich“.

Insgesamt sind bei der EU-Kommission 49 Rückmeldungen zur Harmonisierung des Insolvenzrechts eingegangen, die nun ausgewertet werden, 31% der Stellungnahmen kamen aus Deutschland. Es ist gut möglich, dass viele der aktuellen Aufregerthemen es am Ende nicht in das Gesetz schaffen. Beobachter gehen davon aus, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, bis ein finales Gesetz vorliegt.

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