Versierter Geldpolitiker Ueda führt künftig Japans Notenbank
Von Martin Fritz, Tokio
Überraschende Wende bei der Neubesetzung der Spitze der japanischen Notenbank: Der Ökonom Kazuo Ueda (71), der an der Kyoritsu-Frauen-Universität in Tokio unterrichtet, soll Haruhiko Kuroda (78) als Gouverneur der Bank of Japan (BoJ) beerben. Kuroda scheidet nach zehn Jahren im Amt am 8. April aus. Die Regierung hatte zunächst Vizegouverneur Masayoshi Amamiya zu seinem Nachfolger küren wollen. Doch der 67-Jährige lehnte das Angebot unerwartet ab. Er sei für den Posten ungeeignet, da er Kurodas Geldpolitik selbst entworfen habe, soll Amamiya gesagt haben.
Ueda wird der erste BoJ-Gouverneur der Nachkriegszeit mit einem akademischen Hintergrund in Wirtschaft sein. Als damaliger führender Geldpolitikforscher an der Universität Tokio wurde Ueda im April 1998 in den Vorstand der Zentralbank berufen und blieb nach einer Verlängerung bis April 2005. In dieser Zeit begann die BoJ ihre umfangreichen Anleihekäufe – das Quantitative Easing – und führte den Zinsausblick für die Finanzmärkte ein. Im Jahr 2000 sorgte Ueda für Aufsehen, als er gegen die Aufhebung der Nullzinspolitik stimmte. Er erfüllt auch die Anforderung des japanischen Premierministers Fumio Kishida an den neuen Gouverneur, gut mit den Finanzmärkten kommunizieren zu können. Ueda hat am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) in Wirtschaftswissenschaften promoviert.
Die Ernennung kam für viele Beobachter unerwartet. Sein Name stand auf keinem Zettel. Daher herrscht einiges Rätselraten über die künftige Ausrichtung der Geldpolitik. Kuroda wollte mit extremen Maßnahmen die Deflation im Land bekämpfen und den Yen schwächen. Insbesondere seine Strategie, die Renditekurve für Anleihen strikt zu regulieren, gilt jedoch als nicht mehr zeitgemäß, da die Notenbank die Kurse von Staatsanleihen zuletzt mit Rekordkäufen stützen musste. „Egal ob der neue Gouverneur sich als Falke oder Taube in der Geldpolitik herausstellt – die Kontrolle der Renditekurve wird aufhören“, meinte Marcel Thieliant von Capital Economics. Am Finanzmarkt wurde die Personalie als potenzielle Straffung der Geldpolitik interpretiert. Der Yen wertete leicht auf, die Anleiherenditen stiegen.
Laut der japanischen Zeitung „Nikkei“ wurde Ueda ausgewählt, weil er die Geldpolitik von einem neutraleren Standpunkt aus überprüfen und bearbeiten könnte. „Als Theoretiker und Praktiker ist er dafür gut positioniert“, meinte Ökonom Shotaro Kugo vom Daiwa-Forschungsinstitut. Ueda dürfte laut „Nikkei“ zugesichert haben, keinen überstürzten Ausstieg von der derzeit lockeren Geldpolitik Japans zu wagen. Seine ersten Aussagen deuteten jedenfalls auf Kontinuität hin: „Die derzeitige Geldpolitik der BoJ ist angemessen. Für den Moment halte ich es für notwendig, die Lockerung fortzusetzen“, erklärte Ueda.
In einem Interview im Juli 2022 hatte der Ökonom die Notenbank vor einer übereilten Zinserhöhung gewarnt, aber auch eine Überprüfung ihrer bisherigen Maßnahmen angemahnt. Seine Nominierung wollte Ueda nicht bestätigen. Denn Premierminister Fumio Kishida wird die Personalie dem Parlament offiziell erst am Dienstag mitteilen. Außerdem schlägt Kishida offenbar Ryozo Himino (62), Ex-Chef der Finanzaufsicht FSA, und den erfahrenen BoJ-Manager Shinichi Uchida (60) als Vizegouverneure vor.