Verkehrspolitik

Viel Bewegung, wenig Plan

49-Euro-Ticket, Lkw-Maut – die Ampel stößt viel an. One-Size-Fits-All passt in der Verkehrspolitik aber oft nicht.

Viel Bewegung, wenig Plan

­Mit Beginn der neuen Woche kann das 49-Euro-Ticket vorbestellt werden. Für Millionen Pendler winkt damit ab dem 1. Mai eine – vor allem finanzielle – Erleichterung. Hier im Rhein-Main-Gebiet lag der teuerste Monatstarif für die Strecke Fulda-Wiesbaden bislang bei knapp 300 Euro – dem Sechsfachen des neuen bundesweiten Einheitspreises. Man kann also nicht behaupten, dass die neue Regierung keine Bewegung in den Verkehrssektor gebracht hat. Auch der Koalitionsausschuss hat nach 30-stündiger Marathonsitzung in der abgelaufenen Woche zumindest in der Verkehrspolitik einiges auf den Weg gebracht. Erstmals werden Milliarden, die über eine Anhebung der Lkw-Maut auf der Straße eingesammelt werden, in die Schiene investiert. Zugleich werden einige Straßenbauprojekte beschleunigt, andere hingegen gestrichen.

Ein grundlegendes Problem, das viele Debatten in der heutigen Zeit prägt, bleibt indes erhalten. In der Politik wird immer öfter ein One-Size-Fits-All-Ansatz verfolgt. Das ist aus bundespolitischer Sicht nachvollziehbar. Wenn die Vorhaben zu kleinteilig werden, steigt schnell auch der bürokratische Aufwand. Diesen will die Regierung ab- und sicher nicht aufbauen. Verkehrsplanung ist indes jenseits von Autobahnen, ICE-Trassen und Wasserfernwegen primär regional, oft sogar lokal. Dass das in der öffentlichen Wahrnehmung nicht wirklich angekommen ist, zeigt sich an der Hitzigkeit der Debatte, wenn es um die Verkehrswende geht.

Eine Kombination von Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) und besseren Fahrrad- und Fußwegen ist in der Großstadt ein Ansatz, der sicher zu selten konsequent verfolgt wird. Derweil gibt es auf der anderen Seite immer noch viele Verkehrspolitiker, die sich und vor allem der breiten Öffentlichkeit einreden, mit einem enger getakteten Bus- und Bahnverbund könne auch in ländlichen Regionen individuelle Mobilität effektiv ersetzt werden. Dabei zeigt die Erfahrung im Alltag, dass es unterschiedlichste Ansätze braucht. Der ÖPNV benötigt eine gewisse Auslastung. Und zwar nicht nur um wirtschaftlich zu sein. Auch der Umfang, in dem der Betrieb von Bus und Bahn positiv auf die Klimabilanz einzahlt, hängt maßgeblich an der Auslastung. Schon die Züge und Busse in Metropolregionen fahren in den späten Abend- und Nachtstunden außerhalb des Stadtkerns oft weitgehend leer durch die Landschaft. In ländlichen Regionen sieht es mitnichten besser aus. Eine geringere Siedlungsdichte und größere Distanzen zwischen den Haltestellen machen einen Ausbau damit nicht nur unökonomisch, sondern auch unökologisch. Die Behauptung, ein entsprechend großes Angebot führe wahrscheinlich auch zu einer entsprechend großen Nachfrage, lässt sich schon statistisch widerlegen – anhand der Bevölkerungsdichte. In Frankfurt am Main beträgt diese rund 3000 Einwohner pro Quadratkilometer. Im angrenzenden Wetteraukreis liegt sie schon nur noch bei einem Zehntel. In wirklich ländlichen Regionen wie dem Vogelsbergkreis wird derweil noch nicht einmal ein Wert von 75 erreicht. Am Individualverkehr führt hier kein Weg vorbei. Kein Wunder, dass Wirtschaft und Bevölkerung in ländlichen Regionen in Panik verfallen, wenn das Auto zurückgedrängt werden soll – sicher nicht in ihrem Kreis.

Umgekehrt kann es nicht sinnvoll sein, dass extrem dicht besiedelte Großstädte im Stadtkern jeden Tag einen Verkehrsinfarkt erleiden. Auch hier könnte offensiver eine bis auf den nötigen Lieferverkehr weitgehend autofreie Innenstadt avisiert werden. Beispiele im Ausland zeigen, dass Metropolen damit nicht an Attraktivität einbüßen. Und zwischen den Extremen – Metropole und ländlicher Raum – gibt es jede Menge Zwischenstufen, für die ein Mittelweg gefunden werden muss.

Akzeptiert wird diese Unterschiedlichkeit offiziell zwar. Aber warum findet sie in der Planung und öffentlichen Debatte so wenig Widerhall? Weil die Priorisierung mit der Verkehrswende bis hin zur Dysfunktionalität verschoben wurde. Eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur ist essenzielle Lebensgrundlage einer jeden Gesellschaft. Jede Transformation muss daher genau dort ansetzen: Wie kann die bestehende Infrastruktur so umgebaut werden, dass sie besser für Mensch und Wirtschaft funktioniert? Erst danach sollte man sich die Frage stellen: Wie kann die Verbesserung möglichst klimaneutral erreicht werden? Wenn – wie heute zumeist – der zweite Schritt vor dem ersten erfolgt, wird auch mehr Aktivität niemals zum Ziel führen. Als Ergebnis wäre nur weiter zu beobachten: viel Bewegung, wenig Plan.

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