EU-Industriepolitik

Wunsch und Wirklichkeit

In der Theorie klingen die Pläne der EU-Kommission für ein Rohstoffgesetz nicht verkehrt. Doch sie drohen an der Realität zu scheitern.

Wunsch und Wirklichkeit

Mit dem Vorhaben eines Rohstoffgesetzes betritt die EU-Kommission Neuland. Außer einer zuletzt im Jahr 2020 aktualisierten Liste kritischer Rohstoffe lag dieses Feld politstrategisch brach – ein Versäumnis, das hoffentlich noch rechtzeitig aufgefallen ist, sollte sich die EU eines Tages aus übergeordneten Motiven zu einschneidenden Sanktionen gegen China gezwungen sehen. Stichwort Taiwan.

Die EU ist in der Versorgung mit Seltenen Erden, Lithium und anderen elementaren Rohstoffen eklatant von einzelnen Ländern abhängig. Das ist kein Geheimnis, führt aber erst jetzt zu entschiedenem Handeln. Und das, obwohl damit beispielsweise die gesamte E-Auto-Offensive latent auf dem Spiel steht.

Nun soll alles besser werden. In der Theorie klingen die Pläne nicht verkehrt, auch wenn manch einer reflexartig Planwirtschaft ruft, weil im Gesetzentwurf eine Reihe von Quoten auftaucht. Es finden sich darin gute Ansätze wie der Fokus auf Recycling von Batterien und Magneten. Elektroschrott landet viel zu oft arglos in der Tonne – und mit ihm die wertvollen Rohstoffe. Schnellere Genehmigungsverfahren sind seit eh und je ein zentrales Anliegen der Wirtschaft. Deshalb ist das Ansinnen, Antrags- und Prüfverfahren in Industriesektoren von besonderem öffentlichen Interesse radikal zu entschlacken, uneingeschränkt positiv. Nur drohen die hehren Pläne an der Realität zu scheitern.

Hierzulande sind unzählige Behörden allein auf kommunaler Ebene zu durchlaufen, bevor ein Industrieprojekt Wirklichkeit werden kann. Es mutet wie ein Wunschtraum an, solch durchbürokratisierte Strukturen revolutionsartig aufbrechen zu wollen. Denn anders wird es kaum gehen, wenn Unternehmen binnen zwei statt zehn Jahren Gewissheit haben sollen. Nicht von ungefähr fordert der Industrieverband BDI mehr Personal für Behörden. Damit ist es angesichts konfligierender Umweltvorschriften und langjähriger Gerichtsprozesse nicht getan. Wer rechnet nicht mit erbittertem Protest, wenn die von der Rohstoffindustrie ersehnte Renaissance des Bergbaus Gestalt annimmt? Fracking hat in Deutschland jedenfalls keine Chance, und Stromautobahnen vom Norden in den Süden sind seit Jahrzehnten eine Illusion.

Rohstofffunde in Europas Norden machen Hoffnung auf Unabhängigkeit, aber das wird kaum reichen. Deswegen ist es sinnvoll, dass die EU-Kommission parallel neue Rohstoffpartnerschaften schließt, mit Kanada und Chile etwa. Sie muss aber aufpassen, sie nicht zu reinen Rohstofflieferanten zu degradieren, um es sich nicht mit ihnen zu verscherzen.

Nicht die Quoten im Rohstoffgesetz sind das Problem. Sondern verkrustete Strukturen und internationale Verteilungskämpfe.

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