Rechtsstaatlichkeit

Alle Augen auf Brüssel

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum neuen Rechtsstaatsmechanismus ist nun die EU-Kommission am Zug. Die Frage ist, wann und wie die Brüsseler Behörde das Instrument anwendet – vor allem angesichts der bevorstehenden Wahlen in Ungarn.

Alle Augen auf Brüssel

Dass der Rechtsstaatsmechanismus in der EU kein wirkungsloses Instrument ist, zeigt allein schon die Heftigkeit, mit der die Regierungen in Polen und Ungarn es von Anfang an bekämpft haben. Warschau und Budapest hatten ja Ende 2020 sogar zeitweise die Einigung auf den EU-Haushalt und den Wiederaufbaufonds blockiert, wohlwissend, dass sie selbst zu den größten Profiteuren dieser Geldtöpfe gehören.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jetzt auch die letzten Zweifel daran beseitigt, dass künftig EU-Mittel einbehalten werden können, wenn diese durch Korruption, Betrug, ein nicht funktionierendes Justizsystem oder andere fehlende demokratische Standards missbraucht werden könnten. Die frühere Bundesjustizministerin und heutige Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, fasste den Inhalt des Urteils vielleicht am greifbarsten zusammen: Das Gericht sage klipp und klar, dass die Europäische Union kein Geldautomat sei, aus dem man beliebig abheben könne, ohne sich an demokratische Spielregeln zu halten, so die SPD-Politikerin.

Der Rechtsstaatsmechanismus ist eigentlich schon seit einem Jahr in Kraft. Dass bisher noch nichts passiert ist, lag an dem Zugeständnis der EU-Staats- und Regierungschefs gegenüber Polen und Ungarn, erst einmal das höchstrichterliche Urteil aus Luxemburg abzuwarten. Auch die EU-Kommission, die ja in diesem Fall die ausführende Behörde ist, hat sich an diesen Deal gehalten und trotz eines drängelnden Europaparlaments die Füße stillgehalten. Jetzt ist die Galgenfrist aber endgültig vorbei. Und das ist gut so.

Alle Augen richten sich jetzt also wieder auf Brüssel. Wie wird die EU-Kommission ihr neues Instrument nutzen und vor allem auch wann? In Ungarn sind Anfang April Parlamentswahlen. Und niemand in der Kommission möchte Ministerpräsident Viktor Orbán jetzt noch eine Steilvorlage liefern, die er in seinem Sinne verdrehen und ausschlachten kann – und die eventuell noch als Wahlkampfeinmischung verstanden werden kann.

Der EuGH hat in seinem Urteil ohnehin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass strenge Voraussetzungen bei einem Verfahren zu beachten sind und die betroffenen Mitgliedstaaten mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten müssten. Das hört sich nach zähen Prozessen an. Es ändert aber im Endeffekt nichts an dem Fakt, dass es nun ein Instrument in Brüssel gibt, das der anhaltenden Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit in einigen EU-Ländern wirksam etwas entgegensetzen kann.

     (Börsen-Zeitung,

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