Währungsunion

Angst vor der Euro-Krise 2.0

Als wäre das Dilemma aus Rekordinflation und Rezessionsangst für die EZB nicht schon Herausforderung genug, tobt nun in Italien eine ausgewachsene politische Krise. Für die Euro-Hüter wird die Lage immer ungemütlicher.

Angst vor der Euro-Krise 2.0

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet unmittelbar vor dem 10. Jahrestag des Whatever-it-takes-Versprechens, mit dem der damalige EZB-Präsident Mario Draghi am 26. Juli 2012 ganz entscheidend zur Beruhigung in der damaligen Euro-Schuldenkrise beitrug, ist es nun Italien mit (Noch-)Premierminister Mario Draghi, das Sorgen vor einer Euro-Krise 2.0 schürt. Wie groß diese Gefahr tatsächlich ist, ist um­stritten – genau wie die Frage, was die Europäische Zentralbank (EZB) da nun tun sollte. Klar ist aber, dass die ohnehin diffizile Lage der Euro-Hüter keineswegs einfacher wird.

EZB in undankbarer Rolle

Nachdem die EZB im Juni eine beschleunigte Zinswende angekündigt hatte, war im Zuge eines breiten Ausverkaufs von Euro-Staatsanleihen die italienische Rendite erstmals seit 2014 über die Marke von 4% geklettert – samt deutlicher Ausweitung des Spreads zu deutschen Anleihen. Das weckte böse Erinnerungen an die Euro-Krise und veranlasste den EZB-Rat zu einer Krisensitzung, bei der er Italien & Co. bei Bedarf neue Hilfe zusagte – auch mittels eines neuen Programms („Antifragmentierungsinstrument“). In der Folge gab Italiens Rendite deutlich nach. Jetzt aber ist Italien in eine schwere Regierungskrise gerutscht – und der Spread zu deutschen Titeln liegt wieder bei mehr als 200 Basispunkten.

Das Krisennarrativ lässt sich nun kurz so zusammenfassen: Bei steigenden Renditen erhöht sich der Schuldendienst für Italiens enormen Schuldenberg von 150% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im schlimmsten Fall gerät Rom in akute Finanzierungsschwierigkeiten oder steu­ert sogar auf eine Pleite zu. Wenn aber Italien als drittgrößte Euro-Volkswirtschaft ins Rutschen gerät, zieht es andere mit. Griechenland gilt da als ein Kandidat, aber auch Portugal oder Spanien, und mancher sorgt sich sogar um Frankreich. „Es droht eine Rückkehr der Euro-Krise“, warnt etwa Ifo-Chef Clemens Fuest. Zumindest hinter vorgehaltener Hand äußert sich auch so mancher Politiker und Notenbanker besorgt.

Allerdings gibt es auch beschwichtigende Stimmen. Diese Argumentation zielt zum einen darauf ab, dass wegen der seit Jahren rekordniedrigen Zinsen die Schuldenlast selbst bei Italien historisch niedrig sei. Laut Union Investment liegt der Durchschnittszins der umlaufenden italienischen Staatsanleihen nur bei rund 2%. Ein Zinsanstieg schlägt sich zu­dem nicht unbedingt direkt nieder, weil die mittlere Laufzeit der Italien-Anleihen bei sieben Jahren liegt, wie Bantleon jüngst ausgeführt hat. Weiteres Argument: Wegen der hohen Inflation liege das nominale Trendwachstum oberhalb des Durchschnittszinses – was die Schuldenquote erst einmal sinken lassen sollte. „Insgesamt deutet wenig auf eine Wiederholung der Eurozonenkrise von 2011 hin“, heißt es einer aktuellen Analyse von Union Investment.

Der zweite große Streitpunkt ist die Frage, welche Rolle die EZB im Fall der Fälle spielen sollte. Die Befürworter eines Einschreitens argumentieren, dass die EZB Spekulationen ge­gen einzelne Euro-Länder nicht tolerieren könne und den Euro verteidigen müsse. Da wirkt auch das Vermächtnis von Draghi nach: Mit seinem Versprechen 2012 machte er die EZB quasi zum Garant für die Unumkehrbarkeit des Euro. Die Kritiker dagegen erklären, dass das das EZB-Mandat überschreite und im Zweifelsfall die Politik den Zusammenhalt der Währungsunion sichern müsse. In Deutschland zeichnen sich – wenig überraschend – schon neue Klagen gegen das neue EZB-Programm ab.

Für die EZB wird die Situation so oder so noch einmal deutlich ungemütlicher. Mancher Kritiker argwöhnt, dass es die 5 Sterne nur deshalb gewagt hätten, Draghi das Vertrauen zu entziehen, weil die EZB vorher ihr Versprechen für Italien & Co. abgegeben habe. Am Mittwoch muss Draghi vors italienische Parlament. Dann sind wieder alle Augen auf ihn gerichtet – so wie 2012.

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