Konjunktur

Auftragsdelle für deutsche Industrie

Die Konjunkturzuversicht der Börsianer steigt auch im Mai. Insbesondere die aktuelle Lage wird besser beurteilt. Die deutsche Industrie allerdings hat im April einen kleinen Rücksetzer zu verdauen.

Auftragsdelle für deutsche Industrie

ba Frankfurt

Finanzmarktexperten blicken im Mai so zuversichtlich auf die Euro-Konjunktur wie zuletzt vor mehr als drei Jahren. Insbesondere die aktuelle Lage wurde gemessen am entsprechenden Sentix-Barometer angesichts sinkender Coronazahlen und fallender Restriktionen besser eingeschätzt als im Vormonat. Allerdings wird die Industrie, die in der zweiten und dritten Coronawelle die Konjunktur am Laufen gehalten hat, zunehmend von den anhaltenden Materialknappheiten und Logistikproblemen gezeichnet – insbesondere in Deutschland, der größten Euro-Volkswirtschaft. Dass die Auftragseingänge im April leicht rückläufig waren, sehen Ökonomen gelassen, denn die Geschäfte der hiesigen Industrieunternehmen laufen gut. Der Umsatzrückgang im April deutet allerdings an, dass das Statistische Bundesamt (Destatis) am heutigen Dienstag über ein Produktionsminus berichten wird.

Laut Destatis sammelte das deutsche verarbeitende Gewerbe im April 0,2% weniger Neubestellungen als im Vormonat ein (siehe Grafik). Ökonomen hatten zwar ein Plus von 1,0% erwartet, relativierten aber den überraschenden Rückgang. Denn die Wiesbadener Statistiker hatten zugleich die Orderzahlen vom März um 0,9 Punkte auf ein Plus von 3,9% nach oben revidiert. Für Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, zählt der gute Lauf über einen sehr langen Zeithorizont hinweg: Mit Ausnahme von Dezember war es das erste Auftragsminus seit Mai vergangenen Jahres. Zudem zeige das Plus von 78,9% im Vorjahresvergleich, „wie gut die Wirtschaft und die Industrie insbesondere gelernt hat, mit der Pandemie und den Einschränkungen zurechtzukommen“, sagte DWS-Chefvolkswirt Europa Martin Moryson.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht die Ordereingänge „auf hohem Niveau stabilisiert“. Sie liegen den siebten Monat in Folge über dem Niveau vom Februar 2020, dem letzten Monat vor Ausbruch der Pandemie. Ohne die volatile Position der Großaufträge kletterten die Bestellungen um 1,5%. Die jüngste Seitwärtsbewegung führt das Ministerium auf die gesunkene Inlandsnachfrage (–4,3%) bei gleichzeitig steigenden Aufträgen aus dem Ausland (+2,7%) zurück. Dabei haben insbesondere die außereuropäischen Bestellungen mit 3,8% kräftig zugelegt, aus den Euro-Ländern gingen 0,7% mehr Aufträge ein als im März. „Die Weltwirtschaft kommt weiter in Fahrt, was für die industrielastige deutsche Wirtschaft ein Segen ist“, sagte Gitzel. Es scheine nicht so, dass das Minus im April der Auftakt einer Negativserie sei.

Allerdings, so betonte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen, ändere dies nichts daran, „dass die Produktion nicht in die Gänge kommt“. Da die realen Umsätze, die einen starken Gleichlauf mit der Produktion aufweisen, im April um 2,6% im Vergleich zu März gesunken sind, dürfte der Output in einem ähnlichen Maß gedrosselt worden sein. Einen positiven Wachstumsbeitrag werde die Industrie im laufenden zweiten Quartal daher „wohl kaum leisten“.

Die spanische Industrie hingegen hat einen guten Start ins zweite Quartal erwischt: Laut Statistikamt Ine legte die Produktion um 1,2% im Vormonatsvergleich zu nach +0,6% im März. Dieser Anstieg sei zwar ermutigend, doch warnen die Volkswirte von Oxford Economics davor, dass sich die Lieferengpässe – mit denen die gesamte Euro-Industrie konfrontiert sei – in naher Zukunft nicht auflösen werden.

Die „seit Monaten boomartige Situation“ der Euro-Industrie hat laut Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner auch dazu geführt, dass die aktuelle Lage (+15 auf 21,3 Punkte) im Mai so gut beurteilt wurde wie seit November 2018 und damit vor dem Corona-Einbruch nicht mehr. Der Gesamtindex kletterte um 7,1 auf 28,1 Zähler und damit den höchsten Stand seit Februar 2018. Auch global zeige sich die deutliche Verbesserung der Lagebeurteilung. Als Kehrseite der starken Konjunktur rechnen die Anleger mit einem anhaltenden Inflationsdruck.