Auftragsmangel hält Wohnungsbau in Krise gefangen
Wohnungsbau in Krise gefangen
Auftragsmangel und Stornierungen belasten − Ifo: Erwartungen weit von Optimismus entfernt
Auftragsmangel, Stornierungen, hohe Kosten: Dieser Dreiklang hält den deutschen Wohnungsbau in der Krise gefangen. Experten konstatieren zwar eine allmähliche Preisstabilisierung, die Talsohle ist damit aber noch nicht durchschritten. Erst im kommenden Jahr dürfte der Sektor wieder aufatmen können.
ba Frankfurt
Der deutsche Wohnungsbau kommt nicht aus der Krise: Nicht nur, dass die Neuaufträge ausbleiben, auch werden weiterhin zahlreiche Projekte storniert. Wegen der hohen Material- und Finanzierungskosten können sich private Haushalte den Hausbau oft nicht leisten und für Investoren lohnt es sich nicht. Auch wenn einzelne Studien bereits eine Stabilisierung am Wohnungsmarkt ausmachen, der Wendepunkt ist noch nicht erreicht und die Erholung dürfte erst im kommenden Jahr einsetzen. Rückenwind verspricht immerhin die Zinssenkung, die die Europäische Zentralbank (EZB) für Juni mehr oder minder avisiert hat.
„Ende der Krise ist nicht in Sicht“
Laut der jüngsten Ifo-Umfrage ist der Auftragsmangel zwar leicht zurückgegangen, doch beklagen sich darüber immer noch 55,2% der Unternehmen. Im März waren es noch 56,2%. „Die Wohnungsbauer suchen nach Hoffnungssignalen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Ein Ende der Krise ist jedoch nicht in Sicht.“ Auch die vielen Stornierungen bleiben den Münchener Wirtschaftsforschern zufolge ein großes Problem. Im April waren es noch 17,6% der Betriebe, die über stornierte Projekte berichteten. Im März waren es 19,6%. Die Umfrage hat zwar ergeben, dass das Geschäftsklima im Wohnungsbau deutlich gestiegen ist, der Indikator bleibt aber weiter tief im negativen Bereich. Die Erwartungen sind dem Ifo zufolge weit von Optimismus entfernt. „Aufgrund fehlender Aufträge reduzieren viele Unternehmen ihre Preise“, sagt Wohlrabe. Seit langem werden immer weniger Wohnungsbauten genehmigt − im Februar waren es laut Statistischem Bundesamt 18.200, das sind 18,3% weniger als im Vorjahr. Die Ampel-Koalition hat sich allerdings jährlich 400.000 neue Wohnungen zum Ziel gesetzt. Experten erwarten, dass diese Zahl auch in diesem Jahr weit verfehlt wird.
Etwas besser sieht es laut Ifo im Tiefbau aus, zu dem unter anderem der staatlich dominierte Straßenbau gehört: Hier klagten 22% über einen Auftragsmangel. Die Unternehmen sind dort den Angaben zufolge auch wesentlich zufriedener mit den laufenden Geschäften. „Der Ausblick auf die kommenden Monate ist im Tiefbau von Skepsis geprägt, aber nicht so stark wie im Hochbau“, sagt Wohlrabe.
Kompatibel mit Ergebnissen der Einkaufsmanagerumfrage
Damit decken sich die Ergebnisse der Ifo-Umfrage mit jenen der Einkaufsmanagerumfrage von S&P Global. Der seit April 2022 währende Abwärtstrend hat sich fortgesetzt, die Stimmung hat sich weiter verschlechtert. Geschäftstätigkeit und Beschäftigung gingen angesichts der andauernden Nachfrageflaute erneut zurück, wobei das Neugeschäft nicht mehr ganz so stark zurückging wie zuletzt. Zudem blickten die Bauunternehmer nicht mehr ganz so negativ in ihre geschäftliche Zukunft. Die Lieferzeiten wiederum verkürzten sich merklich und Subunternehmen waren wieder besser verfügbar − beides allerdings Ausdruck der schwachen Nachfrage. Eine Erholung des Bausektors werde frühestens Ende des Jahres oder Anfang 2025 eintreten, heißt es. In einer Umfrage der Berlin Hyp wiederum erwarten 71% der rund 200 befragten Immobilienexperten, dass sich die Durststrecke fortsetzen wird. Mit einer Verschlimmerung rechnen 8%, während 21% glauben, dass die Talsohle bereits durchschritten ist.
GREIX zeigt langsameren Preisverfall
„Um eine Bodenbildung auf dem deutschen Immobilienmarkt auszurufen, ist es noch zu früh“, erklärt Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) mit Blick auf den German Real Estate Index (GREIX). Dieser zeigt, dass die Immobilienpreise im ersten Quartal recht volatil waren, sich der Preisverfall aber in der Tendenz verlangsamt. Die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser stabilisierten sich weiter und liefen eher seitwärts. Wegen der nach wie vor geringen Anzahl an Transaktionen sei die Aussagekraft aber begrenzt, insbesondere bei den Mehrfamilienhäusern − hier folgte ein Rückgang von 10,5% einem Plus von rund 5% im Vorquartal.
DZ Bank erwartet im kommenden Jahr Preissteigerungen
Auch die DZ Bank konstatiert in einer Studie eine Stabilisierung der Preise bei Wohnimmobilien, „unterstützt von anhaltend hohem Wohnbedarf und kräftig gestiegenen Baukosten“. Dabei konzentrierte sich die Preiskorrektur auf Bestandsimmobilien − hier fielen die Preise um 10% −, während Neubauten sogar noch etwas teurer wurden. Auch wenn Immobilien wegen gesunkener Kaufpreise und steigender Einkommen wieder erschwinglich würden, verhinderten die immer noch relativ hohen Preise und Bauzinsen von knapp unter 4% eine dynamische Erholung, heißt es. 2024 dürften die Wohnimmobilienpreise im Jahresdurchschnitt noch um bis zu 2,5% fallen und im kommenden Jahr dann wieder ins Plus drehen.
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