Sondervermögen vorgeschlagen

BDI stößt neue Debatte um schuldenfinanzierte Investitionen an

Der BDI hat erneut eine Debatte um schuldenfinanzierte Investitionen angestoßen. Angesichts eines zusätzlichen Finanzierungsbedarfs von nahezu 400 Mrd. Euro schlägt der Verband neue Sondervermögen vor. Der Finanzminister ist strikt dagegen.

BDI stößt neue Debatte um schuldenfinanzierte Investitionen an

BDI stößt Debatte um schuldenfinanzierte Investitionen an

Neue Sondervermögen vorgeschlagen – Zusätzlicher Finanzierungsbedarf von bis zu 400 Mrd. Euro – Ampel-Parteien uneins

ahe/lz Berlin/Frankfurt

Angesichts der schwierigen Haushaltsverhandlungen der Bundesregierung hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine erneute Debatte um schuldenfinanzierte öffentliche Investitionen angestoßen. In einem am Mittwoch veröffentlichten Positionspapier errechnet der Verband einen zusätzlichen Investitions- und Förderbedarf für das nächste Jahrzehnt von bis zu 400 Mrd. Euro. Gut drei Viertel der notwendigen Mittel entfallen auf die Erneuerung der Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur sowie den Wohnungs- und Gebäudesektor. Ein Viertel ist für die Bereiche grüne Transformation und Resilienz vorgesehen. Der BDI schlägt nun vor, das nötige langfristige Investitionsprogramm unter anderem über ein oder mehrere Sondervermögen zu finanzieren.

„Das Industrieland Deutschland hat über Jahrzehnte zu wenig investiert, und jetzt kommen noch neue Investitionsbedarfe hinzu“, mahnt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. „Wir müssen die Transformation zu einem klimaneutralen und digitalen Land beschleunigen, das fordert uns in den kommenden zehn Jahren gewaltig.“ Die Finanzierung dieser und weiterer Bedarfe müsse jetzt dringend geklärt werden. „Unternehmen und Bürger brauchen Planungssicherheit. Deshalb müssen Bund und Länder die Finanzierung jetzt festzurren.“

Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI)
picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Die Aufgabe ist nach Ansicht von Russwurm so groß, dass sie über Legislaturperioden hinaus gedacht und gelöst werden muss. Spätestens seit dem Karlsruher Haushaltsurteil sei klar, dass es „keine einfachen Lösungen“ gebe. Dieser Komplexität werde die seit Monaten ergebnislos geführte politische Debatte mit einer einseitigen Parteinahme pro Schulden oder pro Sparen aber nicht im Ansatz gerecht, kritisiert der BDI-Präsident.

Lindner strikt dagegen

Finanzminister Christian Lindner wies die Vorschläge strikt zurück. Bei einer Konferenz des Wirtschaftsrates der CDU in Berlin äußerte er ordnungspolitische Bedenken, da die Politik über förderungswürdige Projekte entscheide. Im Endeffekt seien die Sondervermögen auch nur eine Belastungsverschiebung in die Zukunft, warnte der FDP-Chef. Auf Linkedin ergänzte Lindner, die Schaffung von schuldenfinanzierten Sondervermögen sei „kein Zaubertrick, der fiskalische und rechtliche Probleme löst“. Die fälligen Zinsen belasteten den zukünftigen Steuerzahler. Zudem würden die europäischen Fiskalregeln auch für Sondervermögen gelten. Der Bund verfüge über hinreichende Einnahmen für erhebliche Investitionen bis 2030.

Beifall kam hingegen wie erwartet von den Grünen. Wirtschaftsminister Robert Habeck verwies vor dem Wirtschaftsrat darauf, dass der BDI damit auf die Position von nahezu allen wissenschaftlichen Gremien, aber auch Bundesbank und Europäischer Zentralbank einschwenke, wonach Deutschland seine öffentlichen Investitionsmöglichkeiten vergrößern müsse. Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei eine gemeinsame Kraftanstrengung für mehr Investitionen notwendig. Der BDI sei mit seiner Forderung nicht allein.

Kein Konsens innerhalb der Ampel zu den BDI-Vorschlägen

Es sei „großer Konsens“, dass es kein Ausbleiben nötiger Zukunftsinvestitionen geben dürfe, betonte auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast. Die Koalition müsse aber mit der Schuldenbremse, wie sie im Grundgesetz stehe, umgehen. Der CDU-Haushaltsexperte Christian Haase sagte der „Rheinischen Post“, Sondervermögen lösten die Probleme nicht. Zusätzliche 100 Mrd. Euro für Infrastrukturmaßnahmen könnten aufgrund überlanger Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie fehlender Fachkräfte gar nicht abfließen.

Der BDI hatte die Einrichtung von Sondervermögen mit der Einleitung von Strukturreformen und der Priorisierung von Ausgaben verbunden. Der Verband schlug vor, mehrere Sondervermögen für die unterschiedlichen Aufgaben mit entsprechend zugeschnittenen Laufzeiten von acht bis zwölf Jahren einzurichten.

Verkehrsinfrastruktur ist teuer

Der BDI hält es allerdings für falsch, die Investitionsdebatte auf pro und contra Schuldenbremse zu verkürzen. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sollte nicht – als vermeintlich einfachste Lösung – abgeschafft oder aufgeweicht werden, wird betont.

Insgesamt errechnet der BDI einen zusätzlichen Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre von 375 bis 395 Mrd. Euro. Die teuersten Einzelpositionen auf der Ausgabenliste sind der Schienenausbau und der Ausbau des ÖPNV.

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