Auf der Suche nach Wachstum

Bereitschaft zu Mehrausgaben

Wirtschaftliches Wachstum ohne Investitionen: Wie soll das gehen? Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves deutet Bereitschaft zu Mehrausgaben an.

Bereitschaft zu Mehrausgaben

Rachel Reeves deutet Bereitschaft zu Mehrausgaben an

Britischer Haushaltsentwurf soll „ein Ende der niedrigen Investitionen, die den Niedergang befördern“ bringen

hip London

Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat auf dem Labour-Parteitag in Liverpool durchblicken lassen, dass sie zu Mehrausgaben bereit ist. „Wachstum ist die Herausforderung und Investitionen sind die Lösung“, sagte die Nachfolgerin von Jeremy Hunt. Ihr Haushalt werde „ein Ende der niedrigen Investitionen, die den Niedergang befördern“ bringen. Man werde nicht zur Sparpolitik ihrer konservativen Vorgänger zurückkehren.

Das ist eine andere Tonart als bisher. Nach Übernahme der Geschäfte in 11 Downing Street hatte sich Reeves zunächst als „eiserne Lady“ präsentiert, die unpopuläre Maßnahmen ergreifen muss. Schließlich müsse sie mit den Hinterlassenschaften der Vorgängerregierung fertigwerden, mit dem „schwarzen Loch“ in den öffentlichen Finanzen etwa.

Streit um Heizkostenzuschuss

Der auf 22 Mrd. Pfund bezifferte Betrag, der angeblich in der Kasse fehlt, ist im Vergleich zu den staatlichen Gesamtausgaben jedoch Kleingeld. Zu Reeves’ ersten Ankündigungen gehörte gleichwohl die Streichung des Heizkostenzuschusses für Rentner, die sie auf dem Parteitag verteidigte. Nur noch die Bedürftigsten sollen in den Genuss dieser Sonderzahlung kommen. Der Parteitag forderte am Mittwoch die Rücknahme der Maßnahme.

Um Geld für Investitionen zu mobilisieren, muss Reeves an den Haushaltsregeln schrauben. Die Tories, die sich viel auf ihre Wirtschaftskompetenz zugutehalten, haben nur eine hinterlassen: Zwischen dem vierten und fünften Jahr eines Prognosezeitraums muss die Staatsverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt sinken. Eine Schuldenbremse wie in Deutschland gibt es nicht. Ein vergleichbares Instrument wird bislang auch von keiner Seite gefordert.

Steigende Staatsverschuldung

Zuletzt hatte die öffentliche Verschuldung die Marke von 100% des Bruttoinlandsprodukts überschritten. Mehrausgaben für großzügige Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst trugen dazu bei. Reeves hat sich vorgenommen, Investitionen ausgenommen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Es sei an der Zeit, dass das Schatzamt nicht nur die Kosten von Investitionen in die Wirtschaft anerkenne, sondern auch deren Nutzen, sagte Reeves, deren Rede von Gaza-Aktivisten unterbrochen wurde. Wichtig sei, dass man die durch staatliche Investitionen entstehenden Vorteile beziffere. Man kann allerdings trefflich darüber streiten, was alles als Investition gezählt werden soll.

Haushaltsregeln in Bearbeitung

Andere Länder betrachteten sowohl Assets als auch Verbindlichkeiten, sagte Reeves. Das sehe man sich alles an. Wenn sie am 30. Oktober ihren Haushaltsentwurf vorlegt, will sie sich auch zu den Haushaltsregeln äußern. Schon für den 14. Oktober hat die neue Regierung rund 300 Wirtschaftsvertreter zu einem Investorengipfel geladen. Bis dahin wird sie dem Vernehmen nach wohl noch nicht einmal ihre industriepolitischen Vorstellungen präsentieren können.

„Wir begrüßen das Versprechen der Schatzkanzlerin, nicht zur Sparpolitik zurückzukehren, und ihren Ruf nach Investitionen, die wir brauchen werden, um eine bessere wirtschaftliche Zukunft zu liefern“, sagte Harry Quilter-Pinner, der Übergangschef der linken Denkfabrik IPPR. Man müsse sich nun sowohl die Haushaltsregeln, unter denen die Regierung derzeit arbeite, als auch den Spielraum für höhere Steuern „für diejenigen mit den breitesten Schultern“ genau ansehen.

Höhere Steuern dürften allerdings nicht dazu beitragen, die Investitionsbereitschaft der Privatwirtschaft zu fördern. Und Reeves kürzte zuletzt bei Infrastrukturprojekten und Forschungsvorhaben.

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