LEITARTIKEL

Blöd wird nicht reichen

Wie man einen Handelskonflikt gewinnt, hat US-Präsident Donald Trump erst vor wenigen Tagen in den sozialen Medien auf seine unnachahmliche Art zusammengefasst. Wenn die USA im Austausch mit einem anderen Land zum Beispiel ein Handelsdefizit in Höhe...

Blöd wird nicht reichen

Wie man einen Handelskonflikt gewinnt, hat US-Präsident Donald Trump erst vor wenigen Tagen in den sozialen Medien auf seine unnachahmliche Art zusammengefasst. Wenn die USA im Austausch mit einem anderen Land zum Beispiel ein Handelsdefizit in Höhe von 100 Mrd. Dollar unterhielten und dieses Land nicht kooperiere, um die Handelsströme zwischen den beiden Ländern in Zukunft ausgeglichen zu gestalten, würden die USA ganz einfach keinen Handel mehr mit dem Land betreiben. “Wir gewinnen auf ganzer Linie. Es ist ganz einfach”, verbreitete Trump über den Kurznachrichtendienst Twitter Anfang März im Brustton der Überzeugung. Die Analyse von Handelskonflikten aus der Vergangenheit legt nahe, dass die Sache komplizierter ist, wovon sich die US-Regierung dieser Tage freilich selten beirren lässt. Ziemlich einfach lässt sich vor allem darstellen, dass es am Ende von solchen Konflikten meist keine Gewinner gibt. Getragen von der Zuversicht, jeden Handelspartner aufgrund der Bedeutung der USA als Exportmarkt erpressen zu können, hat Trump in der vergangenen Woche trotzdem eine schon im Wahlkampf ausgesprochene Drohung wahr gemacht und Importzölle auf Stahl und Aluminium auf den Weg gebracht, die bereits in zwei Wochen Geltung erlangen sollen.Die Nachbarn Mexiko und Kanada werden bis auf weiteres von den Tarifen ausgespart, was sich schnell wieder ändern könnte, sofern die Partner in den Verhandlungen über die Zukunft des Nordamerikanischen Handelsabkommens Nafta nicht parieren. Die Europäische Union (EU) und China haben derweil bereits angekündigt, mit Vergeltungsmaßnahmen zu antworten. “Blöd können wir auch”, erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und war damit nah dran, den US-Präsidenten zu paraphrasieren. “Mein Knopf für Handelskonflikte ist größer als deiner”, hätte Juncker auch sagen können. Weil ein Handelskrieg mit der EU für die USA nach Einschätzung von Trump aber “leicht zu gewinnen” ist, legte der US-Präsident unerschrocken nach und stellte eine Besteuerung der Importe von Automobilen aus der EU mit bis zu 25 % in Aussicht. Das beträfe Einfuhren in Höhe von rund 40 Mrd. Euro und würde die nächste Eskalationsstufe im Handelskonflikt bedeuten. Derzeit werden auf Wagen aus der EU 2,5 % erhoben, die EU schlägt bei US-Autos 10 % drauf.Wer darauf hofft, dass der Spuk eines drohenden Handelskriegs bereits nach der heute stattfindenden Sonderwahl im 18. Kongresswahlbezirk im Bundesstaat Pennsylvania zu Ende sein wird, dürfte enttäuscht werden. Der Wahltermin im sogenannten “Rostgürtel”, wo Trump mit den Zöllen auf Stahl und Aluminium Arbeitsplätze schützen und neue Jobs schaffen will, dürfte zwar ebenso ein Anreiz für die Eskalation des schwelenden Handelskonflikts zum jetzigen Zeitpunkt gewesen sein wie die in den vergangenen Tagen ausufernde Affäre im Zusammenhang mit einer kolportierten Beziehung Trumps zu einem Pornostar. Die Überzeugung, dass die USA in den Handelsbeziehungen übervorteilt werden, gehört aber unabhängig von dieser innenpolitischen Konstellation zu einer der wenigen Positionen, die Trump seit Jahren konsistent vertritt. Das Gleiche gilt für die Obsession mit Handelsdefiziten, die nach Einschätzung des US-Präsidenten immer schon ein Beweis für unfaire und schädliche Handelsbeziehungen sind. Bereits in den achtziger Jahren kritisierte der damalige Immobilienunternehmer die US-Regierung öffentlich für die Handelsdefizite im Austausch von Waren und Dienstleistungen mit Japan und den Ausverkauf von US-Assets nach Nippon. Schon damals beklagte Trump, dass “alle Welt über Amerika lacht”, was er auch im Präsidentschaftswahlkampf bei jeder Gelegenheit wiederholt hat.Will die Europäische Union einen Handelskrieg vermeiden und das System eines regelbasierten internationalen Handels im Rahmen der Bestimmungen der Welthandelsorganisation nicht aufs Spiel setzen, wird blöd in der Auseinandersetzung mit Trump nicht reichen. Die angekündigten Gegenmaßnahmen der EU, die Importzölle auf ein Einfuhrvolumen in der Größenordnung von 2,8 Mrd. Euro vorsehen, sind denn auch wohl durchdacht. Sie bewegen sich nach Einschätzung von Experten im Rahmen dessen, was die WTO als angemessen bewerten würde, hätten die USA ihre Zölle nicht unter Berufung auf die nationale Sicherheit auf den Weg gebracht und sie damit den Juristen der Welthandelsorganisation entzogen.—-Von Stefan ParaviciniDer Handelskonflikt zwischen den USA und Europa bricht offen aus. “Blöd können wir auch”, lässt die EU-Kommission wissen. Das wird nicht reichen.—-