Großbritannien

Bloß keine weiteren Fehl­tritte mehr

Die Botschaft von Moody‘s an die britische Regierung ist klar: Fehltritte bergen große Risiken. Inflationssteigernde Maßnahmen sind zu vermeiden. Denn keiner weiß, ob die Märkte nachsichtig sein werden.

Bloß keine weiteren Fehl­tritte mehr

Für britische Politiker und Geldpolitiker ist aus Sicht der Ratingagentur Moody‘s vor allem eines wichtig: weitere Fehltritte vermeiden. Nach dem vom nicht gegenfinanzierten Wachstumshaushalt von Liz Truss und Kwasi Kwarteng ausgelösten Chaos am Markt für britische Staatsanleihen im September, kam es vergleichsweise schnell zu einer Beruhigung der Lage. „Die offene Frage ist: Werden die Märkte künftig weniger nachsichtig sein?“ sagte Evan Wohlmann, der als Vice President das Thema Souvereign Risk im Blick hat, auf einer Fachkonferenz des Finanzdienstleisters in London. Das Risiko von Fehltritten sei in der aktuellen Situation „unglaublich groß“. Maßnahmen, die zu mehr Inflation führen, müssten vermieden werden. Aus Wohlmanns Sicht werden hohe Zinsen und niedriges Wachstum weltweit noch einige Zeit anhalten. Die Glaubwürdigkeit der Notenbanken habe im vergangenen Jahr gelitten, aber mittlerweile hätten sie es geschafft, die richtigen Signale zu senden. Es sei wichtig, dass sie zumindest dieses Jahr die Zügel weiter straff hielten. Die langfristigen Inflationserwartungen seien zwar gestiegen, bewegten sich aber in der Nähe der historischen Durchschnittswerte. Eine große Mehrheit der Konferenzteilnehmer ging einer Umfrage zufolge davon aus, dass sich die Kreditbedingungen weiter verschärfen werden. Lediglich 18% rechneten mit einer Verbesserung.

Großbritannien sei vergleichsweise zuversichtlich in die Energiekrise gegangen, sagte Wohlmann. Das lag an der geringeren Abhängigkeit von Importen und der Dominanz der Dienstleistungsbranche. Doch andererseits sei die Regierung die Wette eingegangen, nicht in die Gasspeicherung zu investieren. Öl und Gas trügen immer noch vier Fünftel zum britischen Energiemix bei, sagte er. Entsprechend schnell schlagen Preissteigerungen durch, auch auf den Strompreis, für dessen Ermittlung die Stromerzeugung mit Gas die Grundlage bildet. „Der Preisdruck deutet nicht auf eine schnelle Rückkehr der Inflation zum Zielwert der Bank of England (2,0%) hin“, sagte Wohlmann. Er geht davon aus, dass der Leitzins im laufenden Jahr möglicherweise bis auf 4,5% steigen wird. Das bedeute höhere Kosten für Hypothekenraten und entsprechend weniger verfügbares Einkommen. Zudem machten es dem Land langfristige „Herausforderungen“ wie der Brexit schwer, zum Potenzialwachstum zurückzukehren. Zur anhaltenden politischen Polarisierung komme eine wachsende soziale Unzufriedenheit hinzu. Moody‘s hatte ihr Länderrating „Aa3“ im Oktober mit einem negativen Ausblick versehen.

„Wir haben es bislang geschafft, Blackouts zu vermeiden“, sagte Joanna Fic, die sich als Senior Vice President mit Infrastrukturfinanzierungen beschäftigt. Aber Großbritannien sei kein isolierter Markt, sondern abhängig davon, was auf dem europäischen Kontinent passiere. Das mildere Wetter in diesem Winter habe sich zuletzt positiv ausgewirkt. Allerdings steige dadurch das Risiko, dass es in Europa dieses Jahr erneut eine Dürre geben könnte. Die Energiepreise könnten weiter steigen. „Es gibt immer noch Druck nach oben“, sagte Fic. Es gebe zwar die Hoffnung, dass sich im Verlauf des Jahres Druck in die andere Richtung entwickele, aber das werde zeitverzögert erfolgen. Die vom Regulierer Ofgem gesetzte Preisobergrenze für Energierechnungen der privaten Haushalte sei eine gute Illustration des Drucks, der auf den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte laste. Für Infrastrukturbetreiber seien nicht nur die Finanzierungskosten wichtig, sondern auch, wie hoch ihre Investitionen angesichts von Angebotsengpässen, Personalmangel und Kosteninflation tatsächlich ausfallen. Während der Pandemie seien die Kreditklauseln für Schulden von Flughafenbetreiber von ihren Gläubigern immer wieder ausgesetzt worden. Die Frage sei, ob das in einem Rezessionsumfeld so weitergehen werde.

Banken seien immer noch vorsichtig bei der Kreditvergabe an Unternehmen aus Branchen, die von der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen wurden, sagte Laurie Mayers, die sich als Associate Managing Director mit europäischen Banken beschäftigt. „Der Risikoappetit ist begrenzt.“ Dabei dürften die britischen Kreditinstitute im laufenden und kommenden Jahr gute Geschäfte machen. Die Erholung von der Pandemie laufe immer noch. Die steigenden Zinsen würden nur in sehr geringem Umfang an die Einlagenkunden weitergegeben. Für Unternehmen, deren Anleihen als spekulativ eingestuft werden, sehe es langsam ziemlich schwierig aus, sagte Sandra Veseli, Managing Director Corporate Finance. Über alle Branchen hinweg werde derzeit weltweit nur noch ein Wachstum des operativen Ergebnisses (Ebitda) von 2,5% erwartet. In der Regel bewege sich dieser Wert zwischen 3% und 4%.

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