Großbritannien

Boris Johnson unter Druck

Der britische Premierminister muss damit rechnen, dass Dutzende Abgeordnete seiner Partei gegen seinen „Plan B“ für den Umgang mit der Pandemie stimmen werden. Der parteiinterne Ärger ist groß.

Boris Johnson unter Druck

hip London

Der britische Premierminister Boris Johnson hat mit der Aktivierung seines „Plan B“ für den Umgang mit der Pandemie Freunde und Feinde gegen sich aufgebracht. Gesundheitsminister Sajid Javid hatte zwar der Impfpflicht eine Absage erteilt, die Johnson ebenfalls ins Spiel gebracht hatte. Doch sorgten bereits die tatsächlich verhängten Restriktionen für reichlich Ärger. „Für eine Regierung, die an die Freiheit glaubt, ist das völlig inakzeptabel“, sagte Geoffrey Clifton-Brown, Schatzmeister des einflussreichen 1922 Committee der Tories, dem „Evening Standard“. Vor allem die Idee, den Zugang zu Clubs und größeren Veranstaltungen nur gegen Vorlage von Impfnachweisen zu erlauben, sorgte für Empörung. Denn aus Sicht der Gegner solcher Maßnahmen ist das der Einstieg dazu, die Teilhabe am öffentlichen Leben vom Gesundheitsstatus ab­hängig zu machen.

Dutzende Abgeordnete der Regierungspartei bereiten sich darauf vor, in der kommenden Woche gegen die von Johnson vorangetriebene Verschärfung der Coronarestriktionen zu stimmen. Die bislang stärkste Rebellion gab es im Dezember vergangenen Jahres, als 53 Tory-Unterhausabgeordnete gegen Regierungspläne für abgestufte regionale Ausgangsbeschränkungen stimmten. Der ehemalige Minister für Wales, John Redwood, rechnet mit einem neuen Rekordwert: „Dieses Mal denken viel mehr, dass keine guten Argumente vorgelegt wurden.“ Zudem wurden Fragen danach laut, warum der National Health Service (NHS) nach zwei Jahren Pandemie, in denen Abermilliarden in das marode Gesundheitssystem gepumpt wurden, immer noch nicht in der Lage sei, mit Covid-19 umzugehen. Auch sei die Impfkampagne in den vergangenen Wochen ins Stocken geraten. Dem Vernehmen nach weigerten sich Allgemeinmediziner, Hausbesuche zu machen, was es erschwere, ältere Menschen zu impfen, die ihr Zuhause nicht verlassen können.

Gemeinsam gegen Johnson

Johnson hat nicht nur die Lockdown-Gegner in seiner Partei gegen sich aufgebracht. Wer bislang alle Maßnahmen unterstützte, regte sich über die Weihnachtsfeiern in der Downing Street vor einem Jahr auf, zu denen immer neue Enthüllungen die Zeitungsseiten füllen. Besonders schädlich für Johnson ist, dass ihm Parteifreunde wie William Wragg unterstellen, er habe seinen „Plan B“ nur aktiviert, um damit von dem Skandal um die Partys im Regierungsviertel abzulenken. „Mitten in einer nationalen Krise, in der wir schnell reagieren müssen, brauchen wir eine Regierung, die uns führen kann“, sagte der Psychologieprofessor Stephen Reicher von der University of St. Andrews dem „Guardian“. „Eine Regierung, von der wir als ‚die‘ denken und die wir für unehrlich und für Lügner halten, ist nicht die Regierung, die wir gerade brauchen.“ Dabei arbeitet Reicher in einem Unterausschuss der Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE), der sich mit Verhaltenspsychologie befasst, für ebendiese Regierung.

Es sei plötzlich wahrscheinlicher geworden, dass ein anderer konservativer Abgeordneter die Partei in den nächsten Wahlkampf führen werde, schrieb Paul Goodman, der Chefredakteur der Website Conservative Home. „Boris Johnson wird sich von dieser doppelten Covid-Katastrophe vielleicht nicht mehr erholen“, titelte der „Telegraph“-Kommentator Allister Heath. Fraser Nelson, der Chefredakteur des konservativen Magazins „Spectator“, fragte: „Würden wir uns gegen einen weiteren Lockdown erheben?“

Doch wird sich Johnson in dieser Sache auf seine Opposition verlassen können. Labour-Führer Keir Starmer deutete bereits an, dass seine Partei verschärfte Restriktionen unterstützt. Im Dezember 2020 hatten sich die Labour-Abgeordneten enthalten, um der Regierung den Durchmarsch zu ermöglichen. Es kommt dennoch einer kleinen Regierungskrise gleich, wenn Johnson auf Stimmen der Opposition zurückgreifen muss, um seine Pläne durchzuboxen.

Immerhin, ein kleiner Skandal ging im Getöse um „Plan B“ unter: Die Tories müssen auf Geheiß der Wahlbehörde 17 800 Pfund Strafe zahlen, weil sie eine Spende für den luxuriösen Umbau von Johnsons Dienstwohnung in 10 Downing Street nicht ordnungsgemäß anmeldeten. Und es gibt noch etwas, worüber sich Johnson freuen dürfte: Seine Frau Carrie hat eine Tochter zur Welt gebracht.

Wertberichtigt Seite 8

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