Borne lädt Gewerkschaften zu Gesprächen ein
wü Paris
Im Konflikt um die Rentenreform in Frankreich könnte Bewegung in die verhärteten Fronten kommen. Premierministerin Élisabeth Borne hat die wichtigsten Gewerkschaften des Landes Anfang nächster Woche zu Gesprächen eingeladen. Diese hatten für Gründonnerstag zu einem neuen Protesttag aufgerufen, um das Reformprojekt zu verhindern. Unterdessen hat der Conseil Constitutionnel, also der französische Verfassungsrat, angekündigt, dass er sein mit Spannung erwartetes Urteil, ob die geplante Reform verfassungskonform ist, am Abend des 14. April bekannt geben wird.
Der Verfassungsrat, dem der ehemalige sozialistische Premierminister Laurent Fabius vorsteht, kann Gesetze ganz oder teilweise ablehnen, wenn er sie für verfassungswidrig hält. In der Praxis lehnt er jedoch selten Gesetze komplett ab. Neben Regierungschefin Borne haben Vertreter der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI) und des rechtsextremen Rassemblement National eine Prüfung der Reform und der Art, wie sie mit Hilfe der Artikel 47.1 (verkürzte Debatten) und 43.9 (ohne Abstimmung der Nationalversammlung) auf den Weg gebracht wurde, beim Conseil Constitutionnel angefragt.
250 Abgeordnete des Linksbündnisses Nupes, dem neben LFI auch Grüne, Sozialisten und Kommunisten angehören, haben zudem ein spezielles Referendum beantragt, um das Renteneintrittsalter in Frankreich für immer auf 62 Jahre festzulegen. Sollte der Verfassungsrat dies erlauben, müsste vor dem Referendum ein Zehntel der Wähler innerhalb von neun Monaten zustimmen, also 4,87 Millionen Franzosen. Es ist die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre, die von einer Mehrheit der Franzosen abgelehnt wird. Sollten die Gewerkschaften der Einladung Bornes nachkommen, würden Regierung und Arbeitnehmervertreter erstmals seit Beginn des Konflikts wieder direkt miteinander sprechen. Noch ist unklar, ob alle Gewerkschaften das Gesprächsangebot annehmen. Öffentlich zugesagt hat bisher nur Laurent Berger von der eher gemäßigten CFDT. Andere Gewerkschaftsführer haben bisher abgewiegelt, man müsse sich mit den anderen Organisationen abstimmen. Die Wahl eines Nachfolgers für Philippe Martinez an der Spitze der kommunistischen CGT (siehe Seite 12) könnte dies beeinflussen.
Die Gewerkschaften wollen vor allem über die geplante Anhebung des Renteneintrittsalter auf 64 Jahre diskutieren. Wenn das Thema nicht angesprochen werde, gehe man wieder, erklärte CFDT-Chef Berger. Doch die Regierung will in diesem Punkt nicht nachgeben. Ohne die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre sei die Rentenreform hinfällig, erklärte der beigeordnete Minister Franck Riester, der für die Beziehungen mit dem Parlament verantwortlich ist.
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