Geldpolitik

Brasilien verschärft Straffungskurs

Die hohe Inflation und Ausgabenpläne von Präsident Jair Bolsonaro zwingen die Notenbank zum Handeln. Sie fährt die weltweit restriktivste Geldpolitik – und dürfte noch dieses Jahr nachlegen.

Brasilien verschärft Straffungskurs

rec Frankfurt

Brasiliens Notenbank greift angesichts hoher Inflation durch. Die Währungshüter haben den Leitzins ein weiteres Mal angehoben und ihren Straffungskurs sogar noch verstärkt: Sie erhöhten den Leitzins Selic um 150 Basispunkte auf 7,75%. Das entsprach den Erwartungen von Analysten. Eher überraschte die Ankündigung der Zentralbank, im Dezember eine weitere Zinserhöhung in der gleichen Größenordnung vornehmen zu wollen. Analysten korrigierten daraufhin reihenweise ihre Leitzinsprognosen nach oben. Vielen rechnen nun damit, dass die Leitzinsen im Frühjahr 2022 zweistellig werden.

Seit März dieses Jahres summieren sich die Aufwärtsschritte in Lateinamerikas größer Volkswirtschaft auf 575 Basispunkte, womit Brasiliens Zentralbank weltweit den restriktivsten geldpolitischen Kurs im laufenden Jahr fährt. Trotzdem sackte der Real im Anschluss an den Beschluss zum Dollar ab. „Die Zentralbank hat versucht, die Enttäuschung der Märkte zu minimieren“, schrieben Roberto Secemski und Juan Prada von der britischen Bank Barclays.

Die Währungshüter treibt die Befürchtung um, dass die Inflation außer Kontrolle geraten könnte. Im September war die Teuerungsrate auf über 10% gestiegen. Im geldpolitischen Begleitschreiben zum Zinsentscheid nahmen die Notenbanker zudem direkt Bezug auf Pläne der Regierung, die verfassungsrechtlich verankerte Defizitgrenze zugunsten zusätzlicher Sozialtransfers zu überschreiten. „Das jüngste Infragestellen des fiskalischen Rahmens hat das Risiko erhöht, dass die Inflationserwartungen entankert werden“, schreiben sie. Dies steigere die Wahrscheinlichkeit, dass die hohe Inflation sich noch stärker verstetigen wird als ohnehin erwartet.

Der Kurs der Notenbank lässt unter Beobachtern umgekehrt auch Sorgen über die Staatsfinanzen wachsen. Nachdem Brasilien die Staatsschulden über Jahre konsolidiert hatte, konnte die Regierung anders als die meisten Schwellenländer im Kampf gegen die Coronakrise aus dem Vollen schöpfen. Sie fuhr Fiskalhilfen in ähnlicher Größenordnung wie große Industrieländer auf. 2020 betrug das Haushaltsdefizit nach offiziellen Angaben 13,6% der Wirtschaftsleistung. Die aggressiven Leitzinserhöhungen gegen die um sich greifende Inflation verteuern nun den Schuldendienst der Regierung. Allerdings macht die Regierung vor den Präsidentschaftswahlen in einem Jahr keine Anstalten, auf einen Sparkurs einzuschwenken. Stattdessen stellt sie höhere Sozialleistungen in Aussicht.

„Im politischen Gewitter“

Die Schuldenpläne von Präsident Jair Bolsonaro führten zu einem Ausverkauf an den Bondmärkten. Auch politisch haben sie Folgen: Vier hochrangige Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Paulo Guedes traten aufgrund rechlichter Bedenken über das Dehnen der Defizitgrenze zurück. DZ-Bank-Analyst Stefan Grothaus konstatiert, die Landeswährung Real befinde sich „im politischen Gewitter“. Die Sorgen um die Staatsfinanzen dürften die Renditen brasilianischer Staatsanleihen und des Real auch im kommenden Jahr unter Druck setzen, mutmaßen die Schwellenländerexperten des Analysehauses Capital Economics.