Geldpolitik

Brasiliens Notenbank schaltet hoch

Die Währungshüter erhöhen den Leitzins so stark wie lange nicht. Auch künftig dürfte Brasiliens Notenbank unter den Schwellenländern voranpreschen – da sie besonders auf ihre Reputation bedacht ist.

Brasiliens Notenbank schaltet hoch

rec Frankfurt

Brasiliens Währungshüter haben aus Sorge über eine ausufernde Inflation noch einen Zinsgang höher geschaltet. Sie hoben den Leitzins am Mittwochabend (Ortszeit) um 100 Basispunkte auf 5,25% an. Es ist die kräftigste Zinserhöhung seit fast zwei Jahrzehnten und aller Voraussicht nach nicht die letzte. Denn für die Sitzung im September stellte die Zentralbank in Aussicht, den Leitzins Selic in der gleichen Größenordnung ein weiteres Mal anzuheben. Beobachter und Marktteilnehmer rechnen damit, dass es damit noch nicht getan sein wird.

Hintergrund ist der seit Monaten stärker als erwartet anziehende Inflationsdruck – eine Entwicklung, die nicht nur für Brasilien, sondern im Prinzip weltweit gilt und vor allem Zentralbanken in Schwellenländern in Zugzwang bringt. Etliche haben seit dem Frühjahr die Leitzinsen erhöht. Brasiliens Währungshüter gehen bei der geldpolitischen Straffung vergleichsweise aggressiv vor: In Summe haben sie den im Zuge der Coronakrise auf historische Tiefstände abgesenkten Leitzins um 325 Basispunkte erhöht.

Zur Begründung hieß es, eine schnellere Anpassung der Geldpolitik sei „der angemessenste Weg, um sicherzustellen, dass die Inflationserwartungen verankert bleiben“. Im Juni hatte sich das Wachstum der Verbraucherpreise in Brasilien auf 8,4% beschleunigt, Tendenz weiter steigend. Volkswirte wie David Beker von der Bank of America rechnen zwar damit, dass die Inflation angesichts der Zinserhöhungen und des nach wie vor schwächelnden Arbeitsmarktes im kommenden Jahr nachlassen wird. Doch vorerst hat sich die Teuerungsrate weit von der Zielspanne der Notenbank entfernt.

Der von der Regierung besetzte nationale Währungsrat hat das Inflationsziel sukzessive abgesenkt. Bis 2024 geht der Zielwert schrittweise von ursprünglich 4,5% über aktuell 3,75% auf 3% zurück, samt einem Toleranzband von 1,5 Prozentpunkten nach unten und oben. DZ-Bank-Analyst Stefan Grothaus konstatierte unlängst: „Mit den niedrigen Inflationsraten von 2017 bis 2020 hatte sich die Banco Central do Brasil eine gewisse Reputation aufgebaut, und so wird ihr weiterhin zugetraut, die Vorgaben perspektivisch zu erreichen.“

Die Währungshüter sind offenbar bestrebt, keinerlei Zweifel an ihrer hinzugewonnenen Glaubwürdigkeit aufkommen zu lassen. Weitere Zinserhöhungen bis auf 7%, so die derzeitige Konsenserwartung an den Finanzmärkten, dürften folgen. Das dürfte zwar etwas Wachstum kosten. Doch Brasiliens Regierung hat fiskalpolitisch so stark zugelangt wie kein anderes Schwellenland, um die Folgen der Coronakrise zu begrenzen. Zudem sind Restriktionen gefallen, weil sich die Infektionslage gebessert hat und die Impfkampagne vorankommt. Das kommt der Konjunktur zugute und verringert den Druck, die Zinsen niedrig zu halten.

Wesentlicher Unsicherheitsfaktor bleibt die fragile politische Lage: Ökonomen rechnen damit, dass es im Vorfeld der für Oktober 2022 angesetzten Präsidentschaftswahl zu stärkeren Ausschlägen an den Finanzmärkten kommen kann. Gerät in der Folge die Landeswährung Real unter Druck, könnte dies den Inflationsdruck weiter erhöhen. Die Zentralbank wird also unvermindert in Alarmbereitschaft bleiben.

Bericht Seite 17