Briten drohen höhere Energiekosten
hip London
Die britische Regierung hat sich von der Idee verabschiedet, die Energiekosten von privaten Haushalten für zwei Jahre zu deckeln. „Die Energiepreisgarantie war die größte Ausgabe im Wachstumsplan“ seines Vorgängers Kwasi Kwarteng, sagte der neue Schatzkanzler Jeremy Hunt. Er trat am Montag vor die Öffentlichkeit, um den Finanzmärkten schon vor der Vorstellung der mittelfristigen Finanzplanung am 31. Oktober ein paar Kernpunkte zu nennen. Damit will er die finanzielle Glaubwürdigkeit des Landes wiederherstellen, die darunter gelitten hat, dass Premierministerin Liz Truss und Kwarteng den Energiepreisdeckel und umfangreiche Steuersenkungen angekündigt hatten, ohne deren Gegenfinanzierung zu erklären. Die Energiepreisgarantie werde Millionen von Menschen über einen „schwierigen“ Winter hinweghelfen, sagte Hunt. Bis April nächsten Jahres werde sich daran nichts ändern.
Er sei sich mit der Premierministerin jedoch einig geworden, dass es darüber hinaus „nicht verantwortungsvoll ist, die öffentlichen Finanzen weiterhin der unbegrenzten Volatilität der internationalen Gaspreise auszusetzen“, sagte Hunt. Das Schatzamt werde prüfen, wie über den April hinaus mit den hohen Energiepreisen umgegangen werden soll. „Das Ziel ist, eine neue Herangehensweise zu entwerfen, die den Steuerzahler wesentlich weniger kostet als geplant, während sie ausreichend Unterstützung für die Bedürftigen sicherstellt“, kündigte Hunt am Montag an. Das Adam Smith Institute begrüßte das. „Es ist zwar richtig, dass die Regierung die schwächsten Haushalte und Firmen in einer Phase hoher Energiepreise unterstützt“, sagte Kommunikationschefin Emily Fielder. „Sie hätte aber nie den Energieverbrauch wohlhabender Haushalte zu solchen Kosten für die Steuerzahler subventionieren dürfen.“
„Vertrauen und Stabilität“
Vom Wachstumsplan seines Vorgängers Kwarteng, dessen Vorstellung Ende September einen rasanten Anstieg der Renditen britischer Staatsanleihen (Gilts) nach sich gezogen hatte, ließ Hunt so gut wie nichts übrig. Die Körperschaftsteuer soll im April von 19 % auf 25 % steigen. Die geplante Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Einkommensteuer um einen Prozentpunkt wurde gestrichen. „In einer Zeit, in der die Märkte zu Recht ein Bekenntnis zu nachhaltigen öffentlichen Finanzen fordern, ist es nicht richtig, Schulden zu machen, um diese Steuersenkung zu finanzieren“, sagte Hunt. „Wachstum erfordert Vertrauen und Stabilität“, erklärte er. „Ich fürchte, dass es sowohl bei den Steuern als auch bei den Ausgaben noch mehr schwierige Entscheidungen geben wird, wenn wir unsere Verpflichtung erfüllen wollen, die Schulden gemessen an der Wirtschaftsleistung zu senken.“ Alle Ministerien müssten ihre Anstrengungen verdoppeln, Einsparmöglichkeiten zu finden. In einigen Bereichen müssten Ausgaben gekürzt werden. Das entsprach so gar nicht den jüngsten Beteuerungen von Truss, dass es „absolut“ keine Ausgabenkürzungen geben werde.
„Es fühlt sich fast wieder so an wie in den Jahren von ‚Spreadsheet Phil‘, dem für seinen sparsamen Umgang mit den öffentlichen Finanzen bekannten früheren Schatzkanzler Philip Hammond“, kommentierte Thilo Wolf, Deutschland-Chef für BNY Mellon Investment Management, den Auftritt Hunts.
Buchmacher beziffern die Wahrscheinlichkeit, dass Truss Ende des Jahres nicht mehr im Amt ist, auf 70 %. Am Montag schickte sie Penny Mordaunt, ihre Rivalin im Kampf um die Parteiführung, ins Unterhaus, um an ihrer Stelle eine dringende Anfrage der Opposition zu beantworten. Die Premierministerin verstecke sich nicht unter einem Schreibtisch, lautete ihre Antwort auf eine Frage der Labour-Abgeordneten Stella Creasy. Später tauchte Truss kurz im Unterhaus auf, um Hunt beizustehen, der seine Maßnahmen dort rechtfertigen musste. Unterdessen wächst die Zahl der Tory-Abgeordneten, die den Rücktritt von Truss fordern.