Brexit

Britische Armee beliefert demnächst Tankstellen

Die britische Regierung spricht von Stabilisierung, will aber Armeeangehörige einsetzen, um Tankstellen zu beliefern. Derweil kocht der Streit mit Frankreich um Fischrechte wieder hoch.

Britische Armee beliefert demnächst Tankstellen

hip London

In den kommenden Tagen werden rund 150 Fahrer der britischen Armee eingesetzt, um Tankstellen zu beliefern. Weitere 150 Armeeangehörige sollen sie der BBC zufolge unterstützen. Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng will auch einen Teil der Tanklaster-Reserveflotte der Regierung einsetzen, um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken. Premierminister Boris Johnson sagte dagegen, die Lage stabilisiere sich. Er wolle deshalb keine Maßnahmen ergreifen, um bestimmten Berufsgruppen wie etwa Mitarbeitern des Gesundheitswesens NHS Vorrang an den Zapfsäulen zu verschaffen. Das hatte es zuletzt im Jahr 2000 gegeben, als Lkw-Fahrer Raffinerien und Treibstoffdepots blockierten, um gegen steigende Kraftstoffpreise zu protestieren. Damals wurden 300 Tankstellen für die Versorgung der Rettungsdienste und anderer wichtiger Berufsgruppen reserviert.

Nachdem BP vergangene Woche angekündigt hatte, einige Tankstellen vorübergehend zu schließen, weil sie aufgrund des Lkw-Fahrermangels nicht beliefert werden können, bildeten sich in den vergangenen Tagen im ganzen Land lange Schlangen vor den Zapfsäulen (vgl. BZ vom 25. September). Die ungewöhnlich starke Nachfrage führte dazu, dass vielen Tankwarten der Sprit ausging.

Verkehrsaufkommen sinkt

Der Verband der Tankstellenbetreiber (Petrol Retailers Association, PRA) machte „ermutigende Anzeichen“ für eine Entschärfung der Situation aus. Am Mittwoch hatten nur noch 27 % der Standorte keinen Kraftstoff mehr. Am Wochenende waren es noch zwei Drittel gewesen. Daten des Verkehrsministeriums zufolge griffen die Briten angesichts der Lieferengpässe weniger häufig zum Autoschlüssel. Am Montag belief sich das Verkehrsaufkommen auf 91 % des vor der Pandemie üblichen Niveaus.

Unterdessen deutet sich eine Neuauflage des Streits um Fischrechte zwischen Paris und London an. Es geht dabei um die Frage, wer weiterhin in britischen Gewässern fischen darf – und zwar zwischen sechs und zwölf Seemeilen vor der Küste. Großbritannien hatte lediglich 12 von 47 Anträgen französischer Fischer mit Booten von bis zu 12 Meter Länge bewilligt. Die Antragssteller mussten nachweisen, dass sie dort auch schon in den Jahren vor dem Brexit fischten. Dazu waren offenbar die meisten nicht in der Lage. Jersey wies 75 französische Antragsteller ab, 64 Lizenzen wurden erteilt. Zudem stellten die Behörden der Kanalinsel 31 vorübergehende Lizenzen aus. Die Bedeutung der Fischerei für die Volkswirtschaften beider Länder ist zwar verschwindend gering, doch handelt es sich um ein emotional aufgeladenes Thema. Der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune drohte bereits mit „Vergeltungsmaßnahmen“. Er verstehe und teile die Verzweiflung der französischen Fischer. Im April 2022 finden in Frankreich Präsidentschaftswahlen statt. Der ehemalige EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier, der gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron antreten will, warnte vor schwerwiegenden Auswirkungen auf das britisch-französische Verhältnis. In Großbritannien finden zwar so schnell keine Wahlen statt. Doch unterstellen manche Kommentatoren Johnson, vor dem Parteitag der Tories die aktuellen Versorgungsengpässe aus den Schlagzeilen drängen zu wollen.