Britische Inflation überraschend niedrig
Die Inflation in Großbritannien stagniert zum Jahresstart entgegen den Erwartungen, was die Hoffnung der Anleger auf eine frühere Zinssenkung schürt. Die Verbraucherpreise legten im Januar wie schon im Dezember im Jahresvergleich um 4,0% zu. Dies gab das britische Statistikamt ONS am Mittwoch bekannt. Ökonomen hatten einen Anstieg der Rate auf 4,1 oder 4,2% prognostiziert.
Ein besonderes Augenmerk legt die Bank of England (BoE) derzeit auf die Entwicklung der Inflation im Servicesektor. Da hier die Löhne einen größeren Kostenfaktor bilden als in anderen Sektoren, ist der Preisdruck angesichts des starken Lohnwachstums in diesem Bereich besonders hoch. Die Zahlen der Serviceinflation für Januar waren jedoch ebenfalls eine positive Überraschung für die BoE. Die Notenbank hatten einen Preisanstieg um 6,6% erwartet. Stattdessen legte die Inflation im Dienstleistungsbereich nur um 6,5% zu. Grund dafür dürfte ein starker Rückgang der Flugpreise im Januar sein.
Positives für die BoE
Da zudem auch die Kerninflation bei 5,1% stagnierte und die Inflation im Januar im Vergleich zum Dezember sogar um 0,6% nachließ, werten Anleger die Preisdaten als Zeichen, dass der Spielraum der BoE für eine frühe Zinssenkung größer ist als gedacht. „Wenn die BoE in den kommenden Monaten mit Zinssenkungen beginnen will, sprechen die Daten dafür“, sagte auch James Lynch, Investment Manager bei Aegon Asset Management. „Ob sie diesen Weg gehen wird, bleibt jedoch abzuwarten.“
Der britische Notenbankchef Andrew Bailey hatte vor zwei Wochen zwar signalisiert, dass die BoE auf eine Zinswende zusteuere. Gleichzeitig gab er jedoch zu verstehen, dass die BoE dazu erst bereit sei, wenn sie die Sicherheit habe, dass die Inflation trotz Zinssenkungen mittelfristig auf den Zielwert von 2% falle.
Ähnlich hatten sich bereits die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) geäußert. Die Notenbanken wollen vermeiden, dass sie zu früh senken und anschließend wieder die Zinsen erhöhen müssen. Ein solches Szenario verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten.
Signalwirkung geht für Bailey von den neuen Inflationszahlen nicht aus. Im Dezember sei die Inflation etwas stärker gewesen als erwartet, nun eben etwas schwächer. Dennoch seien die Januardaten „ermutigend im Vergleich zu dem, wo wir hätten sein können“, sagte er am Mittwoch dem Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses.
Zinssenkungen in Sicht
„Die Stabilität der Inflation im Januar wird für die BoE eine willkommene Erleichterung sein, nachdem die gestrigen Arbeitsmarktdaten ein deutlich über den Erwartungen liegendes Lohnwachstum gezeigt haben“, sagte Bloomberg-Ökonomin Ana Andrade. „Die Möglichkeit einer Zinssenkung im Mai bleibt bestehen, wir sehen jedoch weiterhin das Risiko einer Verzögerung bis Juni.“
An den Geldmärkten sind nach den neuen Inflationsdaten Zinssenkungen von 70 Basispunkten in 2024 eingepreist. Vor Bekanntgabe der Daten waren es nur 61 gewesen. „Die Anleger atmeten tief auf, als die britischen Inflationsdaten heute Morgen niedriger ausfielen, als praktisch jeder Ökonom erwartet hatte“, sagte Matthew Landon, globaler Marktstratege bei J.P. Morgan „In einer Woche, in der die britischen Arbeitsmarktdaten und der US-Inflationsbericht bereits über den Erwartungen lagen, dürfte dies den Märkten und den Zentralbankern eine dringend benötigte Atempause verschaffen.“