Erwerbstätigkeit

Britischer Arbeitsmarkt schüttelt Coronakrise ab

Der Arbeitsmarkt in Großbritannien erholt sich mit großen Schritten. Nachdem staatliche Hilfsprogramme während der Pandemie Massenentlassungen verhinderten, kommt es nun in der wieder vollständig geöffneten Wirtschaft sogar zu Engpässen. Die Zahl...

Britischer Arbeitsmarkt schüttelt Coronakrise ab

bet London

Der Arbeitsmarkt in Großbritannien erholt sich mit großen Schritten. Nachdem staatliche Hilfsprogramme während der Pandemie Massenentlassungen verhinderten, kommt es nun in der wieder vollständig geöffneten Wirtschaft sogar zu Engpässen. Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen kletterte in den drei Monaten bis Juli auf einen Rekordwert von 953000, wie das nationale Statistikamt ONS am Dienstag mitteilte. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be­schäftigten liegt mit 28,9 Millionen bereits höher als im April 2020. Die Arbeitslosenquote sank unerwartet von 4,8% in den drei Monaten bis Mai auf 4,7% im zweiten Quartal.

Die Engpässe konzentrieren sich auf den Dienstleistungssektor, vor allem die Gastronomie und Hotellerie sowie den Kultur- und Eventbereich. Diese Branchen mussten am längsten unter Corona-Einschränkungen leiden. Viele ehemalige Mitarbeiter haben sich in der Zwischenzeit andere Stellen gesucht oder sind, da es sich oftmals um Zuwanderer aus der EU handelte, in ihre Heimat auf dem Kontinent zurückgekehrt. Der Brexit könnte diese Abwanderung verstärkt haben.

Der Kampf um Mitarbeiter schlägt auf die Bezahlung durch: Der durchschnittliche Wochenlohn im zweiten Quartal lag um rekordhohe 8,8% über dem Vorjahreszeitraum. Zwar spielten hier Basis- und Sondereffekte eine Rolle, darunter ein Lohneinbruch im ersten Lockdown. Doch auch bereinigt bleibt der Anstieg eindrücklich. Das organische Lohnwachstum habe von April bis Juni 4% be­tragen, kommentierte Cyrille Le­noel, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut NIESR. Zusammen mit den steigenden Konsumentenpreisen wachse das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale, so Lenoel.

Die Bank of England ist alarmiert, denn bereits im Mai und Juni lag die Teuerung über ihrer Prognose. Sie erwartet bis zum Jahreswechsel einen vorübergehenden Anstieg auf 4%. Inzwischen nehmen die Währungshüter auch an, dass die Arbeitslosigkeit ihren Höhepunkt überschritten hat, und prognostizieren für das dritte Quartal einen Wert von nur noch 4,7% statt zuvor 5,4%. Im Dezember 2020 hatte die Arbeitslosigkeit ein Pandemiehoch von 5,2% erreicht. Gouverneur Andrew Bailey sagte Anfang August, es werde kein Ausschlag der Arbeitslosigkeit mehr erwartet, wenn die staatlichen Coronahilfen enden.

Damit spielte Bailey auf die britische­ Variante der Kurzarbeit an. Ab Juli müssen die Arbeitgeber bereits einen größeren Anteil des Lohns zwangsbeurlaubter Mitarbeiter übernehmen; Ende September soll das „Furlough“-System komplett beendet werden. Dann komme der wahre Test, kommentierte Joanne Frew, zuständig für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei DWF. „Die Frage ist, ob die zwei Monate seit dem Ende der Corona-Restriktionen für die Arbeitgeber ausreichen werden, um Momentum aufzubauen und Jobverluste zu verhindern.“ Die letzten Einschränkungen wegen der Pandemie waren Mitte Juli aufgehoben worden.