Wettbewerbsfähigkeit

Brüsseler Pläne für Bürokratieabbau gewinnen an Konturen

In Brüssel wurden Einzelheiten bekannt, mit welchen Maßnahmen die EU-Behörde ihr Ziel erreichen will, den Aufwand für die Unternehmen durch Berichtspflichten um 25% zu senken.

Brüsseler Pläne für Bürokratieabbau gewinnen an Konturen

EU-Pläne für Bürokratieabbau gewinnen an Konturen

Reduzierung der Lasten um 37 Mrd. Euro als Ziel – Einbindung von Praktikern und erweitertes Impact Assessment – Von der Leyen bekennt sich zu Klimazielen

fed Brüssel

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch einen Fahrplan für eine Reihe von Initiativen vorgestellt, mit denen die EU wettbewerbsfähiger werden soll. Zeitgleich wurden weitere Einzelheiten bekannt, mit welchen Maßnahmen die EU-Behörde den Abbau von Bürokratie forcieren will.

In einer noch unveröffentlichten Mitteilung, die der Börsen-Zeitung vorliegt, bekräftigt die EU-Kommission ihr Ziel, die Berichtspflichten in dieser Amtsperiode um 25% und für Klein- und Mittelunternehmen um 35% zu verringern. Dazu werden erstmals nominale Zahlen genannt. „Anhand der auf EU- und nationaler Ebene verfügbaren Daten hat das EU-Statistikamt den Ausgangswert der gesamten wiederkehrenden (jährlichen) Kosten in der EU auf 150 Mrd. Euro geschätzt“, heißt es in dem Papier. Rechnerisch ergebe sich daraus das Ziel, die wiederkehrenden Kosten der Unternehmen aufgrund der Berichtspflichten in den nächsten fünf Jahren um gut 37 Mrd. Euro zu senken.

In dem Papier werden einige Maßnahmen genannt, mit denen der Bürokratieabbau vorangetrieben werden soll. So will die EU-Kommission regelmäßige Stresstests einführen. Ziel sei es, den gesamten EU-Besitzstand an Vorgaben zu überprüfen, um seine kumulativen Auswirkungen zu erfassen und ihn dann zu vereinfachen.

Einbindung von Praktikern

Die EU-Behörde will Praktiker direkt einbinden, um Probleme im unternehmerischen Alltag zu ermitteln und zu lösen, beispielsweise in Zusammenhang mit Genehmigungen oder Zulassungen. Und wie bereits angedeutet, soll sich künftig jeder EU-Kommissar zweimal jährlich mit Vertretern unterschiedlicher Interessensgruppen treffen, um sich darüber zu informieren, welchen Aufwand die Gesetzgebung vor Ort verursacht.

Vorgeschlagen wird auch eine Dynamisierung des Impact Assessments. Bisher ermittelt die EU-Kommission, wenn sie Gesetze vorschlägt, am Anfang des Verfahrens den daraus entstehenden Aufwand für Unternehmen. Künftig sollen auch die Auswirkungen von Durchführungsbestimmungen und delegierten Rechtsakten, die den EU-Gesetzen nachfolgen, prognostiziert und veröffentlicht werden. Wenn von den EU-Gesetzgebern im Laufe des legislativen Verfahrens Änderungen am Text vorgenommen werden, sollen deren Auswirkungen auf Kosten der Firmen ebenfalls festgestellt werden.

Unterstützung der EU

In ihrem Papier schlägt die EU-Kommission vor, dass sie für jedes Gesetz systematisch einen „Umsetzungsfahrplan“ erstellt. Die EU-Behörde bietet zugleich an, die EU-Länder technisch zu unterstützen, denen es an Verwaltungskapazitäten fehlt, um EU-Recht umzusetzen.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber lobt die Omnibus-Mitteilung der EU-Kommission als „richtiges Signal“. Es müsse aber die Frage erlaubt sein, was in den vergangenen Jahren falsch gelaufen ist, „dass überhaupt unnötige Bürokratiekosten in solchen Dimensionen“ entstehen konnten. Der Finanzexperte fordert: „Wir müssen nicht nur heute Bürokratie abzubauen, sondern auch dafür sorgen, dass morgen nicht wieder neue Bürokratie aufgebaut wird.“ Dazu seien strukturelle Änderungen erforderlich.

Von der Leyen präsentiert Fahrplan der EU

Am Mittwoch hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offiziell präsentiert, was bereits seit Tagen in Brüssel zirkulierte: den Fahrplan, wie die EU in Bezug auf Innovation, Wachstumspotenzial und Wettbewerbsfähigkeit wieder Anschluss finden soll an die enteilte Konkurrenz. „Wir haben einen Plan. Worum es jetzt geht, ist Tempo und Einigkeit“, sagte von der Leyen in Brüssel.


Fahrplan für Wettbewerbsfähigkeit

Die EU-Kommission schlägt im „Wettbewerbsfähigkeits-Kompass“ eine Vielzahl von Initiativen in den nächsten fünf Jahren vor:

∎ Strategie für Start-up and Scale-up: Einführung eines 28. Regimes, damit junge Firmen unmittelbar im ganzen Binnenmarkt tätig werden können
∎ Mega-Fabriken für Künstliche Intelligenz: Zusammenschaltung von Supercomputern, mit denen innovative Unternehmen ihre KI-Modelle testen können
∎ Koordinierung der Industriepolitik: Gemeinsame Projekte von EU-Interesse
∎ Tech-EU-Investmentprogramm: Finanzielle Unterstützung von Innovation unter der Regie der EIB
∎ Flexibilisierung von Beihilferecht und Fusionskontrolle: Orientierung am globalen Wettbewerbsumfeld
∎ Bürokratieabbau: Reduzierung der Berichtspflichten im Nachhaltigkeits-Reporting. Aber: Von der Leyen betont, dass sie an den Klimazielen unbedingt festhalten will, lediglich den Weg dahin pragmatischer gestalten möchte.


Der „Wettbewerbsfähigkeit-Kompass“ umfasst zwar keine konkreten Gesetzgebungsvorhaben, aber eine lange Liste von Ankündigungen für legislative Aktivitäten in den nächsten Jahren – einige davon sind für Brüsseler Verhältnisse sehr weitreichend. Neben dem Abbau von Bürokratie enthält der Fahrplan den Vorschlag, das Beihilferecht zu flexibilisieren und Beihilfeentscheidungen am globalen Wettbewerbsumfeld zu orientieren. Außerdem enthält der „Kompass“ Vorschläge für eine enger koordinierte Industriepolitik Europas, mehr öffentliche Mittel für „bahnbrechende Investitionen“ und die Idee, Megafabriken für Künstliche Intelligenz zu unterstützen.

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