Brüssels brisante Klimazoll-Pläne
Von Andreas Heitker, Brüssel,
und Stefan Reccius, Frankfurt
Mitte März hatte das EU-Parlament schon einmal vorgelegt: Die Abgeordneten stimmten für eine Entschließung, in der sie die Einführung einer CO2-Abgabe auf bestimmte Importe aus wenig klimafreundlichen Ländern forderten. Dies soll helfen, die Klimaziele der EU bis 2030 zu erreichen und die europäische Wirtschaft im globalen Wettbewerb zu schützen. Es geht darum, eine Verlagerung von CO2-Emissionen in Länder mit weniger strengen Vorgaben zu verhindern. Die EU-Kommission will im Juli nachziehen und einen Gesetzesvorschlag für einen CO2-Grenzausgleich auf den Tisch legen. Dieser ist dann Teil eines ganzen Pakets, in dem auch Energiesteuern neu justiert und das europäische Emissionshandelssystem erweitert wird. Die Einnahmen durch den Klimazoll sollen auch Teil neuer Eigenmittel zur Finanzierung des EU-Haushalts und zur Rückzahlung des Wiederaufbaufonds werden.
Wie konkret der Grenzausgleichsmechanismus ausgestaltet werden soll, ist noch nicht bekannt. Aber schon bei der öffentlichen Konsultation der Brüsseler Kommission zu dem Thema im vergangenen Jahr wurden viele kritische Stimmen aus der Wirtschaft laut. Gerade die deutsche Industrie befürchtet erhebliche Nachteile bei Exporten und sogar Handelskonflikte. Der BDI verwies darauf, dass ein CO2-Zoll vor allem WTO-kompatibel und international abgestimmt sein muss. Sonst drohe die Gefahr einer Sanktionsspirale. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sprach von „erheblichen Herausforderungen“ bei der Umsetzung.
Widerstand regt sich auch in Schwellen- und Entwicklungsländern, die Nachteile durch einen Protektionismus mit grünem Anstrich fürchten. Sie wissen die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, auf ihrer Seite: Sie pocht darauf, die Pläne der EU dürften nicht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit weniger entwickelter Länder gehen.
Das Gros der Wirtschaftswissenschaftler hält einen CO2-Preis grundsätzlich für das sinnvollste Element, um dem Klimawandel mit marktwirtschaftlichen Mitteln Einhalt zu gebieten. So plädiert der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums für einen „CO2-Grenzausgleich als Baustein eines Klimaclubs“ – allerdings unter der Prämisse, von vorneherein etwa die USA einzubeziehen. Diese hat sich trotz ambitionierter Klimaschutzagenda bislang nicht auf einen CO2-Grenzausgleich festgelegt. Es müsse „ein hinreichend großer Kreis von Ländern kooperieren“. Andernfalls drohten „Vergeltungsmaßnahmen“ und ein „Einfallstor für Lobbyismus und Betrug“.
Sie plädieren für ein Preisausgleichssystem, das auf den CO2-Gehalt in der Produktion von Importgütern abstellt. Allerdings dürfte die praktische Umsetzung alles andere als trivial werden. So ist mangels international einheitlicher Berichtspflichten unklar, wie der CO2-Gehalt einzelner Güter zu bestimmen ist – besonders wenn diese komplexe Wertschöpfungsstufen durchlaufen.