Bundesbank heizt EZB-Debatte an
ms Frankfurt
Die Bundesbank warnt davor, dass eine zu lange Vorfestlegung auf eine sehr expansive Geldpolitik zu Fehlanreizen für die Staaten führen kann – vor allem in Sachen Schuldenpolitik. „Je länger Staaten von attraktiven Finanzierungsbedingungen ausgehen können, desto stärker dürften dabei wirtschaftspolitischer Reformdruck und staatliche Haushaltsdisziplin abnehmen, während die Verwundbarkeit gegenüber einem künftigen Zinsanstieg steigt“, heißt es in einem Aufsatz im am Montag veröffentlichten Monatsbericht September. Zugleich macht sie darin klar, dass sie Obergrenzen bei den EZB-Anleihekaufprogrammen als notwendig erachtet und dass aus ihrer Sicht die neue EZB-Strategie keine größere Toleranz für höhere Inflation impliziert.
Die Positionierung der Bundesbank kommt zu einer ebenso wichtigen wie kritischen Zeit. Die Europäische Zentralbank (EZB) steht im Herbst und Winter vor wegweisenden Diskussionen und Entscheidungen – vor allem zur Zukunft des 1,85 Bill. Euro umfassenden Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP, aber auch zur Zukunft der ultralockeren Geldpolitik generell. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat für die Dezember-Sitzung entsprechende Beschlüsse avisiert. Unter den Notenbanken hat dabei das Ringen schon deutlich zugenommen: Die Hardliner im EZB-Rat („Falken“) dringen auf ein zügiges Ende von PEPP und mahnen eine möglichst rasche Normalisierung der Geldpolitik an. Die „Tauben“ warnen dagegen vor Eile.
Besondere Brisanz erhält die Debatte, weil weltweit die Wende weg von der ultralockeren Geldpolitik aus der Coronakrise Gestalt annimmt – angesichts der Erholung der Wirtschaft und der stark steigenden Inflation. Die EZB kommt da mit ihrer ultralockeren Geldpolitik zunehmend wie in einer Sonderrolle daher. Die hohe Inflation hat auch in Deutschland die Kritik an der EZB wieder lauter werden lassen. Viele Kritiker werfen der EZB zudem vor, vor allem die Sicherung der Staatsfinanzen im Blick zu haben. Unlängst hatte eine Studie des ZEW für Aufsehen gesorgt, nach der vor allem jene Notenbanker die Staatsanleihekäufe unterstützen, deren Heimatländer hoch verschuldet sind.
Die Bundesbank schreibt nun in dem Aufsatz, der sich mit der neuen geldpolitischen Strategie der EZB befasst: „Generell könnte eine expansive Geldpolitik, die aufgrund angekündigter Anleihekäufe oder einer Zins-Forward-Guidance bewirkt, dass für einen langen Zeitraum niedrige staatliche Finanzierungskosten erwartet werden, nachteilige Anreizeffekte auf die Verschuldung von Staaten im Euroraum haben.“ Tatsächlich hatte der EZB-Rat als Konsequenz aus seiner neuen Strategie seine Forward Guidance für die Leitzinsen neu gefasst und damit die Hürde für eine Zinserhöhung noch höher gelegt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte genauso wie Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch dagegen gestimmt. Wunsch hatte das später damit begründet, dass er sich nicht wohlfühlte, auf Sicht von fünf bis sechs Jahren Zinserhöhungen eher auszuschließen.
In dem Aufsatz thematisieren die Bundesbankexperten auch die Kaufobergrenzen bei den EZB-Anleihekäufen. Beim älteren EZB-Staatsanleihekaufprogramm PSPP gibt es etwa die Vorgabe, nicht mehr als 33% einer Emission und eines Emittenten zu erwerben. Die Analyse im Monatsbericht kommt da nun zwar zu dem Ergebnis, dass solche Obergrenzen die Wirksamkeit der Käufe schmälerten. Gleichwohl seien diese Grenzen „notwendig, um unter anderem die Vereinbarkeit der geldpolitischen Maßnahme mit dem institutionellen Rahmen der Währungsunion und die Funktionsfähigkeit der betroffenen Märkte zu gewährleisten“. Gemeint ist vor allem das Verbot monetärer Staatsfinanzierung.
Kein Überschießen anstreben
Das ist besonders interessant, weil es Diskussionen gibt, nach einem möglichen Ende von PEPP im März 2022 das parallele Anleihekaufprogramm APP, zu dem das PSPP gehört, aufzustocken. Da stößt das Eurosystem aber bei einigen Ländern zunehmend an die 33-Prozent-Grenze, und es gibt entsprechend Debatten über eine Anhebung oder Abschaffung. Wenngleich die Bundesbank nun keinen bestimmten Grenzwert befürwortet, meldet sie große Skepsis gegenüber zu viel Flexibilität an.
Schließlich macht die Bundesbank in ihrem Aufsatz auch sehr klar, dass die neue EZB-Strategie explizit nicht vorsehe, eine zeitweise über dem 2-Prozent-Ziel liegende Inflation billigend in Kauf zu nehmen oder aktiv anzustreben – nach Jahren unterhalb des Zielwerts. Ein solches Überschießen „sieht die neue geldpolitische Strategie des Eurosystems nicht vor“, heißt es klar. Dagegen hatten einige Euro-Notenbanker nach der Verabschiedung der Strategie signalisiert, dass es in der Praxis doch auf ein solches aktives Überschießen hinauslaufen könnte – ähnlich wie in der neuen Strategie der US-Notenbank Fed explizit vorgesehen.