Flutkatastrophe

Bundeskabinett berät über Nothilfen

Zur Linderung der unmittelbaren Not in den Hochwassergebieten sind in der Bundesregierung Soforthilfen von etwa 400 Mill. Euro im Gespräch. Über das Volumen liefen am Montag Beratungen in der Bundesregierung und mit den Ländern, wie Reuters aus...

Bundeskabinett berät über Nothilfen

BZ Frankfurt

Zur Linderung der unmittelbaren Not in den Hochwassergebieten sind in der Bundesregierung Soforthilfen von etwa 400 Mill. Euro im Gespräch. Über das Volumen liefen am Montag Beratungen in der Bundesregierung und mit den Ländern, wie Reuters aus Regierungskreisen erfuhr. „Wir erleben in diesen Tagen eine unfassbare Tragödie“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich im rheinland-pfälzischen Ahrweiler ein Bild von den Schäden machte. Es sei ein „nationaler großer Kraftakt“ zur Bewältigung dieser Katastrophe erforderlich. Die Bundesregierung werde am Mittwoch Soforthilfen wie auch ein Wiederaufbauprogramm in Milliardenhöhe beschließen. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Toten auf über 160. Entwarnung gab es für die Steinbachtalsperre bei Euskirchen: Die Einwohner dreier am Donnerstag geräumter Ortschaften durften zurückkehren.

Die geplanten Hilfen sollen auch Geschädigten in Bayern und Sachsen zugutekommen, die am Wochenende von Unwettern mit Starkregen betroffen waren. Im Westen Deutschlands hatten die Unwetter in der Nacht zum Donnerstag Bäche in reißende Flüsse verwandelt, die ganze Teile von Ortschaften zerstörten.

Der Bund erwartet, dass sich die Länder zur Hälfte an der Finanzierung des Hilfspakets beteiligen. Eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums sagte, es stehe außer Frage, dass sich das Land an der Kofinanzierung beteilige. Das Volumen der Soforthilfe werde in Berlin festgelegt. Damit sollten Betroffene in Not vor Ort, aber auch die Wiederherstellung der Infrastruktur unterstützt werden. Am zusätzlich geplanten Milliardenfonds für den Wiederaufbau sollen sich nach Vorstellungen des Bundes auch Länder beteiligen, die vom Hochwasser nicht betroffen sind.

Seehofer unterstrich erneut, dass er einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Wetterkapriolen sehe. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte mehr Tempo beim Klimaschutz. „Wir brauchen schon einen Klimaruck in Deutschland“, sagte der CSU-Chef der ARD.

Die verheerenden Hochwasserschäden haben somit die Dynamik im Wahlkampf verschoben und könnten die politischen Linien im Kampf um die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel neu ziehen. Bilder von der Katastrophe haben die Wähler schockiert. Da die Klimaproblematik wieder ganz oben auf der öffentlichen Agenda steht, erhalten die Grünen offenbar eine neue Chance.

CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet dagegen hat die Chancen für seine Kandidatur durch Scherze inmitten der Katastrophe geschmälert. Merkel besichtigte am Sonntag die Schäden einer der schlimmsten Naturkatastrophen in Deutschland seit Jahrzehnten. „Es ist erschreckend“, sagte Merkel, die nach der Bundestagswahl am 26. September aus dem Amt scheidet. „Es gibt kaum Worte in der deutschen Sprache, um die Verwüstung zu beschreiben, die hier angerichtet worden ist.“ CDU-Chef Laschet, der die Nachfolge Merkels anstrebt, machte sich derweil angreifbar, indem er vor laufender Kamera kicherte, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier feierlich Katastrophenhilfe versprach und den Opfern sein Mitgefühl aussprach. Der Fauxpas wurde in den sozialen Medien an den Pranger gestellt und eröffnete eine Angriffslinie für Grüne und Sozialdemokraten, die ihm mangelnde Empathie vorwarfen. Laschet entschuldigte sich auf Twitter und trat am Sonntagabend in einer Fernsehansprache auf – in der Rolle als Ministerpräsident aus einer von der Flut schwer getroffenen Region.

Der 60-Jährige, der in diesem Jahr den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur geschultert hat, sagte, der Schaden sei „jenseits der Vorstellungskraft“, und wandte sich an Kritiker, die sein Engagement in Sachen Klima kritisieren: Die Erderwärmung müsse „schneller und energischer“ angegangen werden. „Wir werden noch lange mit den Wunden der vergangenen Tage zu kämpfen haben“, sagte Laschet. „Der Wiederaufbau wird Monate, sogar Jahre dauern.“

Mit den Hochwasserwarnungen in den südlichen und östlichen Bundesländern Bayern und Sachsen ist das Gespenst häufigerer Wetterkatastrophen für die Wähler wieder präsent. „Wir sehen eindeutig einen Zusammenhang mit dem Klimawandel“, sagte Ernst Rauch, Chef-Klimaforscher des deutschen Rückversicherers Munich Re, der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Die Häufigkeit und Intensität dieser Ereignisse wird zunehmen.“

Das kommt für die Grünen zur rechten Zeit. Die Partei, die ihre Wurzeln im Anti-Atomkraft-Aktivismus der 1980er Jahre hat, hat bereits die Sozialdemokraten als führende Mitte-links-Kraft verdrängt. Im Frühjahr überholte sie Merkels CDU und lag in den Umfragen zum ersten Mal vorn, nachdem sie die 40-jährige Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin nominiert hatte.