Ukraine-Krieg

China riskiert gute Beziehungen zur Ukraine

Dass China sich so vehement auf Russlands Seite gestellt hat, dürfte die Beziehungen zur Ukraine belasten. Und die sind nicht so marginal, wie vielleicht auf den ersten Blick erwartbar wäre. Peking riskiert eine verlässliche Partnerschaft.

China riskiert gute Beziehungen zur Ukraine

Mit Blick auf das wirtschaftliche und politische Beziehungsgeflecht der Ukraine wird immer wieder betont, wie stark sich das Land im Laufe der Jahre von Russland ab- und der EU zugewendet hat. Dabei übersieht man leicht eine Entwicklung, die sich parallel vollzogen hat: Die Lücke, die sich bei Beziehungen der Ukraine zu Russland aufgetan hat, füllt heute immer mehr auch China.

Auf wirtschaftlicher Ebene ist das inzwischen offensichtlich. So haben die Exporte aus der Ukraine nach China 2019 bereits 14% des gesamten Exportvolumens betragen, während nach Russland, den einstigen Haupthandelspartner der Ukraine, nur 7% gingen. Umgekehrt machten die Einfuhren aus China in die Ukraine 15% der gesamten ukrainischen Importe aus, während die aus Russland 11% betrugen.

Aus chinesischer Sicht hatten sich die Beziehungen zur Ukraine in den Jahren nach der Besetzung der Krim durch Russland äußerst zufriedenstellend entwickelt. China bezeichnet die Ukraine als einen „strategischen Partner“ – ein Rang, der im Prinzip dem Russlands gleichgestellt ist – und hat sich, was die heiklen Territorialfragen in der Ukraine angeht, stets auf die Formel der vollen Anerkennung der Souveränität des Landes berufen. Im Gegenzug dafür hat sich die Ukraine freilich stets zur sogenannten „Ein-China-Politik“ bekannt und sich so in der Taiwan-Frage aus allem herausgehalten.

Auch im historischen Gedächtnis der chinesischen Bevölkerung, die zwischen Hinwendung und Abneigung zu Russland stets gespalten ist, hat sich die Ukraine nie etwas zuschulden kommen lassen und gilt als ein europäisches Land, dem man grundsätzlich sehr positiv zugewandt ist. Das manifestiert sich nicht zuletzt in sehr umfangreichen Studentenaustauschprogrammen. Und selbstverständlich hat man im chinesischen Netz auch dankbar regis­triert, dass auch nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine weilende Chinesen nicht zum Gegenstand von Anfeindungen wurden, sondern unter Einsatz der Kiewer Regierung reibungslos evakuiert wurden.

China hat sich durch die unnötig demonstrative Zurschaustellung der „unbegrenzten Partnerschaft“ mit Russland beim gemeinsamen Auftritt der Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping unmittelbar vor Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking in eine denkbar unkomfortable diplomatische Situation gebracht. Sie ist auch gegenüber der eigenen Bevölkerung kaum zu vermitteln und wird deshalb nach Möglichkeit ausgeblendet. So wird die volle Souveränität der Ukraine weiter anerkannt, über das Leid der dortigen Zivilbevölkerung geklagt und zu Friedensgesprächen aufgerufen. Die den Territorialstatus der Ukraine pulverisierende Invasion wird aber nicht kritisiert und mit Verweis auf die vorangegangene Einmischung der USA implizit gerechtfertigt.

Adieu Seidenstraßenromantik

Angesichts eines noch völlig ungewissen Ausgangs des Ukraine-Kriegs ist die Zukunft der chinesisch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen schwer einzuschätzen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass einige Pekinger Interessen schwer kompromittiert werden dürften. Zwar ist der Wirtschaftsaustausch mit der Ukraine im Gesamtbild des chinesischen Handelsvolumens mit dem Rest der Welt nur marginal, in einzelnen Sektoren aber durchaus relevant. So importierte China vor der kriegsbedingten Blockade der Ausfuhrhäfen reichlich ukrainisches Getreide und hatte in Anbetracht des noch erheblichen Produktivitätssteigerungspotenzials der ukrainischen Landwirtschaft eine beträchtliche Ausweitung der Einfuhrmengen in Planung.

Hinzu kommen Erze, Seltene Erden und das Edelgas Neon, bei dem die Ukraine Weltmarktführer ist und das zur Chipherstellung benötigt wird. Schließlich kooperiert China mit der Ukraine beim Flugzeugbau, weil sich in der Ukraine Know-how aus der Sowjetzeit erhalten hat und China bei seinem Plan, Riesentransportmaschinen herzustellen, allein nicht vorankommt.

Was wiederum die chinesischen Ambitionen Chinas im Rahmen des Seidenstraßenprojekts angeht, ist der Konflikt in jedem Fall ein Stimmungskiller. Tatsächlich hatte die Ukraine als erstes Land die Teilnahme an der sogenannten „Belt and Road Initiative“ (BRI) unterzeichnet und sich seit 2020 in die Reihe der offiziellen Kooperationspartner eingegliedert. Die Ukraine war bislang kein Schlüsselland im Seidenstraßen-Kontext, aber Chinas Umgang mit seinem ersten BRI-Partner wird sicherlich auch in anderen Ländern kritisch reflektiert werden.