China verabschiedet sich vom Wachstumsziel
nh Schanghai
Chinas Staatsführung scheint sich mit der Priorisierung einer kompromisslosen Corona-Bekämpfungsstrategie von der Erfüllung der diesjährigen Wirtschaftsziele zu verabschieden. Wie aus einem Kommuniqué des Politbüros im Anschluss an die vierteljährliche Wirtschaftssitzung hervorgeht, liegt die Betonung nun auf der Stabilisierung der Beschäftigungslage und der Kontrolle von Inflationsrisiken. Dabei gelte es, das diesjährige Wirtschaftswachstum in einem „vernünftigen Bereich“ zu halten, betont das Entscheidungsorgan der Kommunistischen Partei. Außerdem ruft das Politbüro dazu auf, alles zu unternehmen, um zur Beschleunigung von verzögerten Wohnimmobilienprojekten seitens überschuldeter chinesischer Bauträger beizutragen. Diese Problematik hat zuletzt soziale Unruhe mit einem aufsehenerregenden Hypothekenzahlungsboykott aufkommen lassen.
Mit dem Fokus auf Beschäftigung, Inflation und Kontrolle der Krisensymptome am Wohnimmobilienmarkt scheint Chinas Führung die Illusion aufgegeben zu haben, die Wachstumsrate durch zusätzliche Stimuli in einem gewohnten Bereich halten zu können. Das offizielle Wachstumsziel für 2022 war Anfang März bei 5,5% und damit erstmals überhaupt unterhalb von 6% fixiert worden. Dennoch galt dies wegen einer laufenden Konjunkturabkühlung und bereits absehbarer Beeinträchtigungen durch Corona-Restriktionen von Anfang an als eine extrem ambitionierte und nur mit massiven Konjunkturstimuli zu erreichende Marke.
Der mehrmonatige Lockdown in Schanghai und anderen Großstädten hat das Expansionstempo der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft im zweiten Quartal auf 0,4% sinken lassen. Auch die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben im jüngsten World Economic Outlook ihre im April noch bei 4,4% stehende Wachstumsprognose für China mittlerweile auf 3,3% zurückgeschraubt.