Chinas Arbeitsmarkt von der Pandemie zerzaust
nh Schanghai
Eine seit Jahrzehnten erstmals gesunkene Beschäftigung und ein für chinesische Verhältnisse äußerst schleppendes Einkommenswachstum gehören zu den Hinterlassenschaften der von der Pekinger Regierung im Dezember abrupt aufgegebenen Null-Covid-Politik Chinas. Wie aus einer Reihe vom Nationalen Statistikbüro verbreiteten Daten hervorgeht, sind im Zuge der von Corona-Restriktionen stark abgebremsten Konjunktur im vergangenen Jahr deutlich mehr Arbeitsplätze verloren gegangen, als China-Ökonomen erwartet hatten.
Die in China nur für urbane Gebiete ausgewiesene Arbeitsmarktstatistik weist für das Jahr 2022 einen Rückgang der Stellen um 8,4 auf 459,3 Millionen aus. Auch wenn es sich nur um einen prozentual sehr geringen Abbau von Arbeitsplätzen handelt, fällt die Entwicklung völlig aus der Reihe. Ein tatsächlicher Beschäftigungsrückgang wurde letztmalig im Jahr 1962 ausgewiesen, als China in einer gewaltigen Wirtschaftskrise mit Hungersnöten steckte. Ebenfalls ungewöhnlich stellte sich zuletzt die Einkommensentwicklung im Reich der Mitte dar. 2022 wuchs das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in China zwar noch um 2,9%, doch bedeutet dies die zweitschwächste Anstiegsrate seit 1989, als China schwere politische Unruhen erlebte.
Nachdem Chinas Coronapolitik 2022 den Binnenkonsum stark beeinträchtigt hat, liegen die Hoffnungen nun auf einem nachhaltigen konsumgeleiteten Aufschwung, der Chinas Wirtschaftswachstum wieder näher an vor der Pandemie gewohnte Expansionsraten heranführt. Gegenwärtig beläuft sich die Konsensschätzung für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2023 auf 5,2%, nachdem das Wachstum der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft 2022 auf 3% zurückgedrängt wurde. Abgesehen vom Jahr des Pandemieausbruchs 2020 mit einem Wachstum von 2,3% bedeutet dies die niedrigste BIP-Expansion seit Mitte der siebziger Jahre.
China-Ökonomen betonen, dass die negative Beschäftigungsentwicklung nicht nur mit der Pandemie im Zusammenhang stehen dürfte, sondern auch demografische Faktoren reflektiert. Im vergangenen Jahr kam es erstmals seit den sechziger Jahren wieder zu einem Bevölkerungsschwund im Zuge einer weiter absinkenden Geburtenrate. Die Experten rechnen mit einer anhaltenden Schrumpfung der Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten, was sich mittelbar auch auf die Zahl der Erwerbstätigen auswirkt.
Neben der Schmälerung der sogenannten demografischen Dividende dürfte auch eine nachlassende Migrationsbewegung von ländlichen Regionen in die Großstädte ein potenzielles Hindernis für die Wahrung eines dauerhaft hohen Wachstumstempos abgeben. Beim Internationalen Währungsfonds etwa rechnet man damit, dass Chinas Wirtschaftswachstum im Jahr 2024 auf einen Wert von 4,4% abgleiten wird und sich dann im weiteren Verlauf des Jahrzehnts sukzessive weiter abschwächen dürfte.