Chinas Konjunktur büßt an Dynamik ein
nh Schanghai
Der unübersehbare Dynamikverlust der chinesischen Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte bringt mit den jüngsten Daten für November neuen Gesprächsstoff. Chinas Industrieproduktion hat zwar aus einer von Stromversorgungsklemmen verursachten Delle wieder herausgefunden, jedoch leiden viele Unternehmen unter der Erzeugerpreisinflation. Die auffällige Konsumschwäche der letzten Monate droht zum Dauerphänomen zu werden, weil Chinas harte Gangart in der Pandemiebekämpfung erhebliche Disruptionen im Einzelhandel und Reiseverkehr mit sich bringt. Hinzu kommen die Probleme am Immobilienmarkt, wo die Wohnungsverkäufe wegen der Verschuldungskrise bei Immobilienentwicklern stark zurückgehen und natürlich auch die Investitionen abbröckeln.
Erzeugerpreise belasten
Die neuen Daten des Pekinger Statistikbüros geben Analysten denn auch wenig Anlass zu Optimismus. Chinas Industrieproduktion hat im November gegenüber Vorjahr mit 3,8% zwar etwas flotter zugelegt als im Oktober (3,5%), doch kann dies kaum als Beleg für eine echte Belebungstendenz gelten, nachdem zahlreiche Industriebetriebe in den vorangegangenen Monaten mit Stromrationierungsmaßnahmen zu kämpfen hatten. Zudem ist die Rohstoffpreishausse und die daran aufgehängte Erzeugerpreisinflation von zuletzt knapp 13% vor allem für kleinere Unternehmen eine erhebliche Kostenbelastung, die sich angesichts einer schwachen Binnennachfrage nur sehr bedingt auf die Verbraucher abwälzen lässt.
Chinas Wirtschaftslenkern dürfte die hartnäckige Konsumzurückhaltung zu denken geben, zumal hier auch mit dem Übergang zu einer bereits angedeuteten fiskalischen und monetären Lockerungspolitik keine rasche Abhilfe in Sicht ist. Chinas rasche Konjunkturerholung nach dem erstmaligen Coronaschock vom Winter 2020 war vor allem von der Industrieproduktion und Exportwirtschaft angetrieben worden, während der Einzelhandel nicht zur alten Stärke mit verlässlichen Umsatzzuwächsen im zumindest hohen einstelligen Bereich zurückgefunden hat.
Im November haben neue Corona-Restriktionen dem Tourismus- und Unterhaltungssektor schwer mitgespielt und die erhoffte konsumseitige Stabilisierung kompromittiert. Entsprechend ist auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze mit 3,9% nach zuvor 4,9% im Oktober enttäuschend ausgefallen. Bei den Analysten hatte man nur einen geringen Rückschritt auf 4,7% erwartet. Besonders zögerlich zeigen sich die Verbraucher bei größeren Anschaffungen, was sich insbesondere im Pkw-Markt bemerkbar macht.
Bei den Anlageinvestitionen ist ebenfalls Entschleunigung angesagt. Die jeweils für das aufgelaufene Jahr berechneten Monatsdaten zeigen für die Periode von Januar bis November einen Zuwachs von 5,2%, während man nach den ersten zehn Monaten noch bei 6,1% gelegen hatte. Das wiederum impliziert, dass die Kapitalausgaben im direkten Monatsvergleich zuletzt um etwa 2,2% geschrumpft sein dürften, errechnen Analysten. Dabei spielt freilich die angespannte Lage am chinesischen Immobilienmarkt und eine entsprechende Zurückhaltung bei den Immobilieninvestitionen eine Rolle. Diese haben in den ersten elf Monaten 6% gegenüber Vorjahr zugelegt und sind zuletzt abgeflaut. Im Vormonat hatte das Wachstum für das laufende Jahr noch 7,2% betragen.
Die Existenznöte des Branchenriesen Evergrande und Finanzierungsprobleme bei anderen hoch verschuldeten Immobilienentwicklern prägen das Bild am Häusermarkt. Im November fielen die Neuwohnungsverkäufe in China um etwa 17% gegenüber Vorjahr zurück, lässt sich aus den neuen Angaben des Statistikbüros errechnen. Erstmals seit vielen Jahren wieder sieht man wegen des Evergrande-Effekts seit Herbstbeginn auch einen schleichenden Rückgang der Durchschnittspreise für Neuwohnungen in Chinas Großstädten. Sie kamen im November um 0,33% gegenüber Vormonat zurück.