Arbeitsmarkt

Corona verschärft Fachkräftemangel

Die Berufsausbildung bleibt das Sorgenkind des deutschen Arbeitsmarktes. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) wird jeder zehnte ausbildungsberechtigte Betrieb in diesem Ausbildungsjahr weniger Lehrstellen anbieten.

Corona verschärft Fachkräftemangel

Von Anna Steiner, Frankfurt

Die Berufsausbildung bleibt das Sorgenkind des deutschen Arbeitsmarktes. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) wird jeder zehnte ausbildungsberechtigte Betrieb in diesem Ausbildungsjahr weniger Lehrstellen anbieten. Im Vergleich zum Februar 2020 steht ein Rückgang um 9% zu Buche. Gleichzeitig gibt mehr als die Hälfte der Unternehmen den Fachkräftemangel als eine ihrer größten Herausforderungen an (siehe Grafik). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mahnte vergangene Woche: „Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen.“ Heil will die Ausbildungsprämie für die Betriebe in einigen Fällen verdoppeln und ihre Laufzeit verlängern. Gezahlt wird diese an Betriebe, die Lehrstellen erhalten. Höher fällt sie aus, wenn neue Lehrstellen geschaffen werden. Darüber soll das Kabinett am Mittwoch beraten.

Die Bundesagentur für Arbeit hat die „Woche der Ausbildung“ ausgerufen. BA-Chef Detlef Scheele mahnt zu diesem Anlass: „Wer jetzt nicht für seinen eigenen Fachkräftenachwuchs sorgt, wird vielleicht nach dem Ende der Pandemie keine Fachkräfte mehr finden. Der demografische Wandel wird sonst dazu führen, dass der Fachkräftemangel zur Krise nach der Krise wird.“ Das Statistische Bundesamt rechnet mit einem Drittel weniger Erwerbspersonen bis 2060. Die Bundesagentur für Arbeit will diese Woche verstärkt Informationsveranstaltungen digital anbieten, die angehende Lehrlinge und Betriebe zusammenbringen. Zwar schwankten die Zahlen üblicherweise, „dieses Jahr jedoch erschwert die Corona-Pandemie den Ausgleich am Ausbildungsmarkt“, heißt es von der BA.

Die sorgenvollen Stimmen aus Wirtschaft und Wissenschaft werden angesichts der aktuellen Krisensituation lauter. „Der Fachkräftemangel war schon vor der Pandemie ein ernstzunehmendes Problem für viele Unternehmen und dürfte bei dem zu erwartenden Aufschwung für Kapazitätsbeschränkungen der Firmen sorgen“, erklärt Hilmar Schneider, Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), auf Anfrage. „Mittelfristig führt kein Weg daran vorbei, die Ausbildungsaktivitäten zu verstärken. Hier kann vor allem eine intensivere Sprachförderung von Migranten einen wichtigen Beitrag leisten, um bislang ungenutzte Potenziale zu mobilisieren.“ In eine ähnliche Richtung argumentiert Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): „Das lokal verfügbare Angebot auch an Auszubildenden schrumpft und qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland bleibt wichtig.“ Allerdings arbeiteten längst auch viele Branchen daran, ihre eigene Attraktivität für Bewerber zu steigern.

Duale Ausbildung fördern

Wie dringlich das Problem für die Betriebe ist, zeigt ein Blick in die jüngste Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Demnach wird der Fachkräftemangel – trotz der sonstigen krisenbedingten Herausforderungen – von 38% der Betriebe als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung genannt. Im Frühsommer 2020 waren es 26%.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) fordert daher „einen Dreiklang aus finanzieller Entlastung für die Ausbildungsbetriebe, massiv ausgebauter digitaler Berufsorientierung für junge Menschen sowie ein Umdenken bei der Bildungsfinanzierung“. Das „Bundesprogramm Ausbildung“ sei der richtige Anfang, sagt Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). Die duale Ausbildung müsse mehr gefördert werden. Auch für die Mittelständler hat Jerger einen Rat: Ihnen könne er „nur empfehlen, mehr in Digitalisierung und Automatisierung zu investieren. Das zahlt zugleich auf ihre Attraktivität als Arbeitgeber ein“.

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