Im InterviewLBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer über die Rolle des US-Dollar

„Das wäre der größte anzunehmende Unfall, ein GAU“

US-Präsident Trump will den Dollar schwächen, ohne dessen Rolle als Weltwährung aufs Spiel zu setzen. Das geht nur durch eine „mafiöse Schutzgelderpressung“, sagt LBBW-Chefvolkswirt Kraemer und warnt vor den Folgen.

„Das wäre der größte anzunehmende Unfall, ein GAU“

Im Interview: Moritz Kraemer

„Das wäre der größte anzunehmende Unfall, ein GAU“

Der LBBW-Chefvolkswirt zu US-Überlegungen, Anlegern niedrigere Zinsen aufzupressen und sie zum Verbleib in Dollar-Anleihen zu zwingen

Das Interview führte Stephan Lorz.

Beratern von US-Präsident Trump wird unterstellt, dass sie eine Blaupause umsetzen wollen, um den Dollarkurs für mehr Exporte zu schwächen, die Gläubiger aber mit Gewalt von einer Dollarflucht abhalten wollen. LBBW-Chefvolkswirt Kraemer spricht von „mafiöser Schutzgelderpressung“.

Unter Trumps Zollpolitik gerät auch die Position des Dollar als Weltwährung unter Druck. Wie groß ist denn die Gefahr, dass dieser zunehmend an Bedeutung verliert?

Eine Reservewährung lebt von zwei Faktoren: hohe Liquidität und hohes Vertrauen. Letzteres beinhaltet nicht nur die herkömmliche Kreditwürdigkeit, sondern auch eine verlässliche Wirtschafts- und Finanzpolitik. Und daran sägt Trump gerade mit aller Macht. Aber in Anbetracht einer fehlenden Alternative dürfte der Dollar bis auf Weiteres wohl eine gefragte Währung bleiben. 

Was passiert, wenn Gläubiger aus dem Dollar fliehen?

Das wäre der größte anzunehmende Unfall, ein GAU also, und würde unmittelbar eine Finanzkrise auslösen. Mit einem Volumen von etwa 30 Billionen Dollar sind US-Staatsanleihen traditionell der sichere Hafen für Anleger und das zentrale Asset im globalen Kapitalmarkt. Wenn dieser sichere Hafen vermint wird, sind die Folgen völlig unabsehbar. 

Berater von Trump schlagen zur Aufrechterhaltung des Dollar als Weltreservewährung einen „Deal“ vor: Dollar-Gläubiger sollen trotz Kursverlusten durch einen Mix aus Zwangsmaßnahmen von der Flucht abgehalten werden. Kann das gutgehen?

Wenn Washington tatsächlich auf diese Art von mafiöser Schutzgelderpressung zurückgreifen sollte, dann würden rationale Anleger sofort Reißaus nehmen. Das ist so, als würde ich meine Bank zwingen wollen, die Zinsen auf meinen Baukredit zu streichen oder ich zünde die Filiale an. 

Trump setzt ja nicht nur den Dollar, sondern auch die Bedeutung der USA als globale Wirtschaftsmacht aufs Spiel.

Ja, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde, droht nun durch fehlgeleiteten Aktivismus zerstört zu werden. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit wird beschädigt. Trotzdem werden die USA trotz möglicher Abschwächung der Wachstumsdynamik auf Dauer die größte Volkswirtschaft bleiben. Der Markt ist riesig und die Innovationskraft der unseren klar überlegen.

Was macht Sie eigentlich so sicher, dass Trump für die USA nur eine Episode ist und es sich nicht um tektonische Verschiebungen handelt?

Genauso, wie die amerikanische Demokratie stärker ist als die der Weimarer Republik, so hat die US-Wirtschaft ausreichend Tiefgang und Ballast, um die Episode Trump durchzustehen. Es handelt sich meines Erachtens tatsächlich nur um eine Episode. Trump befindet sich auf dem Zenit der Macht. Spätestens nach den Zwischenwahlen wird sein Einfluss schwinden. Ich gehe davon aus, dass sein Wirtschaftsexperiment scheitern und deshalb früher oder später kassiert wird. Natürlich wird die Wirtschaft Narben davontragen. Aber keine irreparablen Verletzungen.

Und wie sollte Europa auf die Zollherausforderung reagieren?

Europa sollte eine Führungsrolle übernehmen und Freihandelsabkommen mit Gleichgesinnten forcieren. Denn wir sind nicht allein in unserem Wunsch, möglichst viel von der regelgebundenen globalen Ordnung zu retten. 

Könnte eine neue Weltwirtschaftsordnung Europa womöglich gar neue Stärke bescheren und Brüssel in die Hände spielen?

Wir haben offene Märkte lange, zu lange als selbstverständlich angenommen. Jetzt, wo wir einmal in den Abgrund des wirtschaftlichen Isolationismus geschaut haben, werden wir die regelgebundene Weltordnung noch stärker schätzen und uns zukünftig hoffentlich noch vehementer dafür einsetzen. Das könnte das Handelssystem langfristig stabilisieren – mit Europa als Zentrum und Anker der neuen Ordnung. Auf diese Weise könnte diese traumatische Episode noch ein glückliches Ende finden. Auch deshalb ist jetzt eine besonnene Reaktion der EU angezeigt.


Das Interview führte Stephan Lorz.

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