Debatte über EZB-Zins nimmt Fahrt auf
ms Frankfurt
Nach den unerwarteten Signalen für einen schnelleren Ausstieg aus den billionenschweren Anleihekäufen nimmt die Debatte über die weitere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und insbesondere den Zeitpunkt einer ersten Zinserhöhung gehörig Fahrt auf. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte am Donnerstag, dass die EZB angesichts der Ukraine-Kriegs nun einen vollkommen flexiblen Kurs verfolge: Falls nötig, werde die EZB die Konjunktur unterstützen; genauso werde die EZB aber ihre Politik straffen, wenn der Krieg zu „neuen Inflationstrends“ führe. EZB-Ratsmitglied Klaas Knot sagte, dass 2022 eine oder womöglich sogar zwei Zinserhöhungen denkbar seien.
Die EZB hatte vergangene Woche ein schnelleres Herunterfahren ihrer Anleihekäufe beschlossen und erstmals ein mögliches Enddatum für alle Käufe genannt – das dritte Quartal. Angesichts des Ukraine-Kriegs hatten viele Beobachter damit nicht gerechnet. Die EZB sorgt sich aber wegen der rekordhohen Inflation. Im Februar lag sie bei 5,9%, wie Eurostat am Donnerstag mitteilte. Zuerst waren 5,8% gemeldet worden.
EZB-Präsidentin Lagarde sagte nun am Donnerstag bei der ECB Watchers Conference in Frankfurt, dass die Notenbank zunehmend zuversichtlich sei, dass das Phänomen zu niedriger Inflation wie vor der Corona-Pandemie nicht zurückkehren werde. Es werde immer wahrscheinlicher, dass sich die Teuerung mittelfristig dem Inflationsziel der EZB von 2,0% annähere. Deswegen leite die EZB die Normalisierung der Geldpolitik ein. Der Ukraine-Krieg stelle da aber eine Herausforderung dar: „Wir müssen einen Schock bewältigen, der die Inflation kurzfristig über unser Ziel hinaus treibt und das Wachstum verringert.“
Lagarde untermauerte, dass die EZB-Geldpolitik in diesem Umfeld von drei Prinzipien bestimmt sei: „Optionalität, Gradualismus und Flexibilität“. Wenn sich die Inflation wie erwartet entwickle, werde die EZB im dritten Quartal die Anleihekäufe beenden. „Einige Zeit nach“ dem Kaufstopp könnten dann auch Zinserhöhungen folgen, wiederholte Lagarde die neue Forward Guidance. Diese Formulierung gebe der EZB „zusätzlichen Spielraum, falls dies nach Einstellung der Anleihekäufe und vor dem nächsten Schritt zur Normalisierung erforderlich sein sollte“. Jegliche Zinserhöhungen würden graduell vollzogen.
Zugleich betonte Lagarde aber, dass sich die EZB der Risiken etwa durch den Krieg bewusst sei und ihren Plan überprüfen werde, falls neue Daten das erforderlich machen sollten. In dem Kontext hob sie insbesondere hervor, dass die EZB notfalls „neue Instrumente“ auflegen könnte, wenn etwa durch einen Anstieg der Renditedifferenzen bei Staatsanleihen die EZB-Geldpolitik nicht überall einheitlich wirke.
Zwei Zinsschritte 2022
Der niederländische Zentralbankchef Knot dringt unterdessen auf ein Ende der Anleihenkäufe im Sommer und schließt selbst zwei Zinserhöhungen im laufenden Jahr nicht aus. „Wir müssen aus dem Anleihenkaufprogramm so schnell wie möglich aussteigen“, sagte er am Donnerstag in Amsterdam. Er sei dafür, das Kaufvolumen beim Kaufprogramm APP im Juli von zuvor 20 Mrd. auf 10 Mrd. Euro zu senken und sie Ende Juli einzustellen. Eine Zinserhöhung im vierten Quartal sei weiter eine realistische Erwartung. Auch zwei Anhebungen seien 2022 nicht auszuschließen. Allerdings müssten dafür die Inflationsprognosen weiter nach oben revidiert werden.