Stabilitätsrat

Defizite von Bund und Ländern bleiben über Limit

Der Stabilitätsrat von Bund und Länder erwartet eine Normalisierung der Defizitgrößen in den öffentlichen Haushalten erst 2026. Der Expertenbeirat ist besorgt über die Wirksamkeit der Schuldenbremse.

Defizite von Bund und Ländern bleiben über Limit

wf Berlin

Die zusätzliche Verschuldung in Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich auf ein gesamtwirtschaftliches strukturelles Defizit von 3,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hinauslaufen. Dies erwartet der Stabilitätsrat von Bund und Ländern. 2021 lag das Finanzierungsdefizit bei 3,7%. Die Ende vergangenen Jahres bis 2024 prognostizierte Normalisierung der Haushaltspolitik wird nun länger dauern: Der Stabilitätsrat erwartet zwar, dass das strukturelle Defizit in den Folgejahren sinkt, aber erst von 2026 an das EU- Limit von 0,5% wieder eingehalten werden kann. Der Stabilitätsrat führt neben den anhaltenden Auswirkungen der Pandemie dafür die neuen Belastungen durch den Überfall Russlands auf die Ukraine an. „Diese sind angesichts des Ausmaßes aktuell noch kaum einschätzbar“, teilten Bund und Länder nach ihrer Sitzung mit.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hob vor der Presse in Berlin auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ab. „Langfristige Stabilität und die Einhaltung der Schuldenbremse sind eine Verpflichtung, die uns nicht zuletzt das Grundgesetz auferlegt“, sagte Lindner nach der Sitzung des Stabilitätsrates. „Wir werden nicht umhinkommen, anstehende Maßnahmen stärker zu priorisieren.“ Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) verlangte mit Blick auf die hohe Preissteigerungsrate „gerade jetzt eine solide Finanzpolitik mit Begrenzung der Ausgaben“. Dies helfe auch im Kampf gegen die Inflation. Für die Finanzministerin des Landes Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen (SPD), muss die Finanzpolitik in aktuellen Krisen „adäquat, solidarisch und sozial“ reagieren. Dies erfordere öffentliche Investitionen in Wissenschaft, Bildung und Klimaschutz.

Zweifel an der Etatdisziplin

Der wissenschaftliche Beirat des Stabilitätsrates ist besorgt, dass die Schuldenbremse die Neuverschuldung nicht mehr zügeln kann. Das mittelfristige Haushaltsziel der EU-Fiskalregeln könne die Schuldenbremse mit Blick auf die Kreditspielräume in Sondervermögen „nur noch sehr eingeschränkt“ absichern, stellte das Beratergremium unter Vorsitz des Ökonomen Thiess Büttner fest. „Aus Sicht des Beirats wird die Haushaltsüberwachung durch den Stabilitätsrat deswegen deutlich wichtiger und zugleich schwieriger.“

Die Ampel-Koalition hat 60 Mrd. Euro Kreditermächtigungen noch im Jahr 2021 unter der Corona-Ausnahmeregelung für künftige Ausgaben reserviert. Ebenfalls an der Schuldenbremse vorbei soll ein kreditfinanziertes Sondervermögen von 100 Mrd. Euro die bessere Ausstattung der Bundeswehr absichern. Zugleich will der Bundestag die Schuldenbremse 2022 ein drittes Mal aussetzen. Dem wissenschaftlichen Beirat ist die Argumentation dafür zu dünn. Einzelne Maßnahmen hätten konkret dargelegt und ausführlicher begründet werden müssen, fordert der Beirat. Zudem widerspreche es der Intention der Schuldenbremse, die Ausnahmegeregelungen für 2020 und 2021 für die Finanzierung „nicht unmittelbar krisenbezogener Maßnahmen“ zu nutzen. Die Defizitprojektion des Stabilitätsrates halten die Experten im Übrigen anfangs für zu hoch und von 2025 an für zu niedrig angesetzt. Lindner rechnet bis Ende des Jahrzehnts damit, dass die Schuldenstandsquote von höchstens 60% des BIP wieder eingehalten wird. In der Projektion des Bundesfinanzministeriums liegt die Schuldenstandsquote 2026 noch bei 64,5%. Bis dahin reicht die Projektion.