Deka-Bank erwartet nur vage EZB-Ankündigungen
Die DekaBank geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrem avisierten neuen Instrument gegen ein Auseinanderdriften der Euro-Länder bewusst vage bleiben wird – insbesondere auch bei der Frage, ab wann sie Renditespreads bei den Anleihen unterschiedlicher Staaten als fundamental nicht gerechtfertigt betrachten wird und entsprechend einschreiten will. Das schreibt der EZB-Experte der DekaBank, Kristian Tödtmann, im Kommentar zum neuen Zinskompass, der jeweils vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung erscheint. Was die angekündigte erste Zinserhöhung betrifft, erwartet die DekaBank für Donnerstag eine Anhebung um 25 statt 50 Basispunkte.
Der EZB-Rat steht am Donnerstag vor einer historischen Sitzung: Erstmals seit elf Jahren wird er die Leitzinsen anheben. Das hat der Rat bei der bislang letzten Zinssitzung im Juni in Amsterdam angekündigt. Parallel arbeitet er wegen der zeitweise stark gestiegenen Euro-Renditen und -Renditespreads an einem „neuen Antifragmentierungsinstrument“. Das hatte er Mitte Juni nach einer kurzfristig angesetzten Krisensitzung angekündigt. Die Details sind aber im Rat umstritten. Zuletzt hatte sich vor allem Bundesbankpräsident Joachim Nagel mahnend geäußert und vor „gefährlichem Fahrwasser“ gewarnt.
Zu große Zinsdifferenzen sehen viele EZB-Obere als „Fragmentierung“ und damit als Hindernis für die einheitliche Wirkung – Transmission – der Geldpolitik in allen Euro-Ländern. Die italienische Rendite war im Juni erstmals seit 2014 über 4% geklettert. Der Anstieg der Spreads hatte Erinnerungen an die Euro-Schuldenkrise vor zehn Jahren geweckt. In den vergangenen Tagen hatte dann die Regierungskrise in Rom die Sorgen vor einer neuerlichen Euro-Krise noch verschärft. Zugleich nehmen derzeit Bedenken zu, dass zu vage Ankündigungen der EZB am Donnerstag nicht ausreichen könnten, um Spekulationen gegen Italien & Co. zu beenden.
Deka-Experte Tödtmann stellt nun fest, dass die EZB mit ihrer Krisensitzung Mitte Juni und den folgenden Aussagen einiger Ratsmitglieder teils hohe Erwartungen an den Märkten geweckt habe. Die Anforderungen an ein potenzielles neues Instrument seien aber komplex – „denn es soll weder den allgemeinen Kurs der Geldpolitik verfälschen noch Fehlanreize für die nationalen Regierungen hervorrufen und muss zudem das Verbot der monetären Staatsfinanzierung respektieren“, so Tödtmann. „Wahrscheinlich wird die EZB versuchen, diesen Spagat zu bewältigen, indem sie in ihren Ankündigungen bewusst vage bleibt.“
Die EZB könne, so Tödtmann, für den Fall, dass sie finanzielle Fragmentierung beobachtet, „zwar kraftvolle Maßnahmen in Aussicht stellen“. „Zugleich könnte sie aber auch hervorheben, dass die dafür notwendige Einschätzung, ob die Risikoprämien über das fundamental gerechtfertigte Niveau hinausgehen, einzig und allein dem EZB-Rat obliegt.“ Durch ein derart hohes Maß an Diskretionarität könne die EZB einerseits „hoffen, genügend Eindruck auf die Finanzmärkte zu machen, sodass größere Verwerfungen gar nicht erst aufkommen“, so Tödtmann. „Andererseits könnte sie ihre Absicht bekräftigen, Staatsanleihekäufe auf berechtigte Ausnahmefälle zu begrenzen, und sich so dem Vorwurf entziehen, monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben oder die Anreize zu einer soliden Finanzpolitik zu untergraben.“
Tatsächlich scheint es im EZB-Rat derzeit vor allem zwei Konfliktthemen zu dem neuen Instrument zu geben. Da ist zum einen die Frage, wie beurteilt werden soll, ob ein Spread fundamental gerechtfertigt ist oder nicht. Ex-EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio hatte im Interview der Börsen-Zeitung erklärt, dass es Modelle zur Bewertung des fairen Werts von Anleihen gebe, die auf wirtschaftlichen Daten beruhten (vgl. BZ vom 30. Juni). Nagel sieht das kritischer, wie er jüngst sagte: „Es ist in Echtzeit so gut wie unmöglich, sicher festzustellen, ob eine Spreadausweitung fundamental gerechtfertigt ist. Zum anderen ist da die Frage der Konditionalität, also der Bedingungen, die im Gegenzug für EZB-Hilfen erfüllt sein müssen. Nagel sagte unlängst, es sei „entscheidend, dass die Mitgliedstaaten weiterhin genügend Anreize haben, ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik nachhaltig auszurichten und Schuldenstände zu verringern“. Und weiter: „Eine wirksame fiskalische Konditionalität ist hier unverzichtbar.
Was die angekündigte Zinserhöhung betrifft, geht Tödtmann davon aus, dass der EZB-Rat die Leitzinsen am Donnerstag um 25 Basispunkte anheben und zugleich die Absicht zu einem größeren Zinsschritt im September bekräftigen wird. Genau so hatte der EZB-Rat das im Juni angekündigt. Nach wie vor halten es viele Ökonomen aber nicht für ausgeschlossen, dass der Rat seine Schlüsselsätze nun am Donnerstag gleich um 50 Basispunkte erhöht. Wahrscheinlich erscheint das aber nicht.
Der Wert des Deka-Zinskompasses, der die für die EZB wesentlichen Indikatoren zusammenfasst, spricht aus Sicht von Experte Tödtmann derzeit für Zinserhöhungen in der Größenordnung von 25 bis 50 Basispunkten. Der Kompasswert fiel im Juni auf 42,4 Punkte. Während sich der Abwärtstrend der Konjunktursäule beschleunigte und die Finanzierungssäule weiter in den negativen Bereich fiel, liegt die Inflationssäule nach wie vor an ihrer technischen Obergrenze von 100 Punkten.