Deka fordert Klarheit von EZB
ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach Ansicht der DekaBank besser erklären, warum sie den aktuellen Inflationsanstieg als temporär betrachtet und längerfristig wieder von Raten unterhalb des Inflationsziels von 2% ausgeht. Nur so könne es der EZB gelingen, die Spekulationen auf Leitzinserhöhungen schon im nächsten Jahr zu dämpfen, argumentiert Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum neuen Deka-Zinskompass. Der Verweis allein auf den EZB-Zinsausblick (Forward Guidance) reiche nicht aus. Der Zinskompass erscheint stets vor einer geldpolitischen Sitzung des EZB-Rats in der Börsen-Zeitung. Der Rat tagt an diesem Donnerstag.
Die Reaktion der Euro-Notenbanker um EZB-Chefin Christine Lagarde auf die Zinsspekulationen gehören zu den mit besonderer Spannung erwarteten Themen bei dieser Sitzung. In den vergangenen Wochen haben sich Erwartungen an eine erste Zinserhöhung schon 2022 manifestiert – angesichts des anhaltenden Inflationsdrucks und befeuert durch Aussagen einiger Euro-Notenbanker. Die Mehrheit im Rat dürfte das aber als im Widerspruch zur aktuellen Forward Guidance sehen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte vergangene Woche gesagt, die Märkte hätten die im Juli angepasste Forward Guidance noch nicht ganz angenommen. Nun warten Beobachter darauf, ob es eine echte verbale Intervention gibt.
Laut Tödtmann reicht der alleinige Verweis auf den Zinsausblick aber nicht aus. Dass die Marktteilnehmer einen relativ zeitnahen Kurswechsel der Geldpolitik erwarten, beruhe möglicherweise nicht darauf, dass sie die Formulierungen der Forward Guidance nicht verstanden hätten. „Vielmehr scheinen sie von einer anderen Inflationsentwicklung auszugehen als die EZB. Falls der Preisauftrieb mittelfristig nicht wieder unter die Marke von 2% fällt, würde auch die neue geldpolitische Strategie Leitzinserhöhungen nahelegen.“
Die Inflation im Euroraum hat seit Jahresbeginn unerwartet stark zugenommen. Im September lag sie bereits bei 3,4% und für den Herbst scheint selbst ein Überschreiten der 4-Prozent-Marke wahrscheinlich – wie erst einmal seit der Euro-Einführung 1999. Da etwa die weltweiten Materialengpässe immer weiter anhalten, wachsen die Zweifel, dass es sich um ein rein temporäres Phänomen handelt, wie die EZB bislang argumentiert. Zur Begründung verweist sie stets darauf, dass temporäre Effekte wie der Mehrwertsteuereffekt in Deutschland 2022 auslaufen.
„Um die Kontrolle über die Leitzinserwartungen und damit über das gesamte finanzielle Umfeld zu behalten, sollte Präsidentin Lagarde klarer als bisher begründen, warum die EZB auf längere Sicht von Inflationsraten eher unter als über 2% ausgeht“, so Tödtmann. Allerdings gibt es im EZB-Rat unterschiedliche Einschätzungen. So hat der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot unlängst vor Inflationsrisiken gewarnt. Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann, für den das Treffen angesichts seines vorzeitigen Rückzugs zum Jahresende die vorletzte geldpolitische Sitzung ist, mahnt, nicht einseitig nur auf Deflationsrisiken zu schauen. Das könnte einer klaren Absage an Zinserhöhungen 2022 entgegenstehen.
Das zweite große Thema bei der Sitzung dürfte sein, ob der EZB-Rat schon Signale für Dezember gibt, wenn die Entscheidung über das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP ansteht. Tödtmann erwartet da aber noch nicht viel. In der Debatte, ob die große Flexibilität von PEPP, etwa bei der Orientierung am EZB-Kapitalschlüssel und an den Kaufobergrenzen, auf andere Anleihekäufe übertragen werden soll, hielte er es für „inkonsistent, nach dem Ende des PEPP sowohl am hohen Volumen als auch an der Flexibilität der Wertpapierkäufe festzuhalten“.
Der Wert des Deka-Kompasses, der die für die EZB maßgeblichen Indikatoren zusammenfasst, setzte derweil seinen steilen Aufwärtstrend fort und sendet damit laut Tödtmann „ein immer deutlicheres Signal, dass die EZB ihre stark expansive Ausrichtung überdenken sollte“ (siehe Grafik). Die Entwicklung der drei Säulen klafft aber zunehmend auseinander. „Diese Heterogenität des makroökonomischen Datenkranzes verlangt den Mitgliedern des EZB-Rats viel Urteilsvermögen ab“, so Tödtmann.