Geldpolitik

Deka spekuliert auf neue EZB-Liquiditäts­hilfen

Rekordinflation versus Konjunktursorgen und Kriegsängste: Die EZB befindet sich vor ihrer wegweisenden Sitzung am Donnerstag in der Zwickmühle. Vieles spricht dafür, dass die Euro-Hüter jetzt erst einmal auf Zeit spielen.

Deka spekuliert auf neue EZB-Liquiditäts­hilfen

ms Frankfurt

Die DekaBank geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer Sitzung am Donnerstag trotz des Ukraine-Kriegs an dem Ziel festhalten wird, die ultraexpansive Geldpolitik allmählich zu normalisieren – aber ohne einen konkreten Zeitplan vorzulegen. Das geht aus dem Kommentar zum neuen Deka-Zinskompass hervor, der jeweils vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung veröffentlicht wird. Die Experten halten es in diesem Kontext aber für durchaus möglich, dass die EZB als Reaktion auf den Krieg neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) auflegt, um die Banken im Euroraum zu unterstützen.

„Schwieriger Spagat“

Das Führungsgremium der EZB entscheidet am Donnerstag inmitten des Ukraine-Kriegs über die weitere Geldpolitik. Nachdem der Rat An­fang Februar einen besorgteren Ton angeschlagen und eine raschere Normalisierung der Geldpolitik avisiert hatte, war eigentlich erwartet worden, dass jetzt die Entscheidung fallen könnte, sämtliche EZB-Anleihekäufe im dritten Quartal zu beenden – was die Tür für Zinserhöhungen noch in diesem Jahr geöffnet hätte. Der Ukraine-Krieg hat die Diskussion aber komplett verändert und er bringt die EZB in die Bredouille: Einerseits dürfte er über höhere Energiepreise die Inflation weiter anheizen. Andererseits drohen spürbare negative Folgen für die Wirtschaft.

Auch die DekaBank sieht die EZB nun vor einem „schwierigen Spagat“, wie Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum Kompass schreibt: „Auf der einen Seite hat die Inflation rasant zugenommen, und der makroökonomische Datenkranz legt die Schlussfolgerung nahe, dass sie noch für einige Zeit hoch bleiben wird. Auf der anderen Seite lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt allenfalls vage abschätzen, welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Spannungen mit Russland auf das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Finanzmärkte haben werden.“

Die Euro-Inflation ist im Februar überraschend auf den neuen Rekordwert von 5,8% gesprungen und sie könnte auch wegen des Kriegs in den nächsten Monaten noch weiter deutlich zulegen. Die Berenberg-Volkswirte etwa halten zwischenzeitlich sogar 7% Inflation für möglich. Zugleich könnte der Krieg die Wirtschaftsaktivität spürbar dämpfen. Berenberg etwa hat seine Prognose für 2022 deutlich um einen Prozentpunkt auf nur noch 3,3% gesenkt. Immer häufiger ist sogar die Rede von einer möglichen „Stagflation“, also dem Gleichklang aus stagnierender Wirtschaft und hoher Inflation. Selbst EZB-Ratsmitglied Mario Centeno hält dies inzwischen für möglich (siehe Zitate auf dieser Seite).

Tödtmann glaubt, dass die EZB trotz des Festhaltens an der Normalisierung für den Notfall ihre Unterstützung signalisiert. „Indem die EZB einerseits an ihrer Verantwortung für das Erreichen des Inflationsziels festhält, andererseits aber ihre Bereitschaft unterstreicht, auf konjunkturelle Abwärtsrisiken oder Störungen im Finanzsystem zu reagieren, würde sie dem von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel unmittelbar nach Kriegsausbruch skizzierten Leitbild folgen, dass Zentralbanken in Zeiten extremer Unsicherheit eine Quelle der Zuversicht sein sollten“, argumentiert Tödtmann.

Trotz des erwarteten Festhaltens an der Normalisierung hält es der Ökonom aber für denkbar, dass die EZB zur „Sicherung stetiger Liquiditätsbedingungen und finanzieller Stabilität“ neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte auflegt – „um die Banken mit niedrigen Refinanzierungskosten zu animieren, die Kreditvergabe an die Realwirtschaft auch bei einer erhöhten makroökonomischen Unsicherheit aufrechtzuerhalten“, so Tödtmann. Auch wenn bei der jetzt anstehenden Ratssitzung eher noch nicht mit einer entsprechenden Ankündigung zu rechnen sei, dürfte die EZB laut Tödtmann zumindest ihre Bereitschaft andeuten, derartige Maßnahmen auch kurzfristig zu ergreifen. „Sie könnte dabei allerdings auch zu verstehen geben, dass sie die Anpassung ihres geldpolitischen Kurses und die Unterstützung einer reibungslosen Transmission als zwei voneinander zu trennende Themenfelder ansieht. Anders als zusätzliche Nettoanleihekäufe im Rahmen des APP, die Teil der geldpolitischen Ausrichtung wären, würden auf die Transmission abzielende neue TLTROs daher nicht zwingend gegen mittelfristig bevorstehende Leitzinserhöhungen sprechen.“

Eine solche Zinswende halten laut einer Umfrage viele Ökonomen trotz der noch nicht absehbaren Folgen des Ukraine-Kriegs für dringend geboten. Laut der am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Ifo-Instituts und der FAZ halten 69% der befragten Volkswirte eine sofortige Zinserhöhung oder eine Anhebung zu einem späteren Zeitpunkt im laufenden Jahr für die geeigneteste Maßnahme im Kampf gegen die Inflation. Die Antworten der 145 Ökonomen bilden zum Teil auch die Entwicklung nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs ab, da die Studie vom 22. Februar bis zum 1. März lief.

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