Der Standort D braucht mehr Kapitalmarktfinanzierungen
Der Standort D braucht mehr Kapitalmarktfinanzierungen
Zu wenig Wagniskapital und zu viel Bürokratie verhindern Innovationen in Deutschland
lz/mpi Frankfurt
„Bei allen Bemühungen um den Wirtschaftsstandort Deutschland: Es wird auf der ganzen Breite nach wie vor einfach zu wenig getan, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“, mahnt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW-Bankengruppe, mit Blick auf die jüngsten Vorhaben der Bundesregierung zur Standortpolitik. Wenn jetzt nicht mehr getan werde für den Standort, drohe das noch gute Fundament der deutschen Wirtschaft zu erodieren. Das mit der Einigung über den Bundeshaushalt vergangene Woche geschnürte Wachstumspaket der Regierung enthält Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Ankurbelung privater Investitionen. Hierzu sollen Abschreibungen erleichtert und die Forschungsförderung verbessert werden.
Das befürwortet Köhler-Geib, weil es für ein Land mit wenig Rohstoffen, das seinen Wohlstand auf Export und hoher Wertschöpfung aufbaut, auch entscheidend sei, gerade bei Forschung & Entwicklung vorn mitzuspielen. Die KfW-Ökonomin sieht hier aber nicht nur die Förderpolitik gefragt, sondern auch andere Politikbereiche, weil Forschung & Entwicklung durch zu viel Bürokratie gebremst oder gar verhindert werde. Die Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren stehe dabei an erster Stelle der Punkte. Das beklagten nicht nur Ökonomen, sondern stehe auch bei den Unternehmen ganz oben auf der Liste, stellte sie auf einer Veranstaltung des Center for Financial Studies (CFS) der Frankfurter Goethe-Universität heraus.
Zu starker Fokus auf Banken
Der KfW zufolge gehe es zum einen um die Förderung von Spitzenforschung, zum anderen aber auch um die Sicherstellung der Anwendung neuer Produkte in der Breite vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft darstellten. Auch die Wagniskapitalfinanzierung sei in Deutschland noch unterentwickelt. Hier wirbt Köhler-Geib für mehr Engagement und Akzeptanz der Kapitalmarktakteure in Deutschland. Sie spielten eine noch zu geringe Rolle in der heimischen Wirtschaft, die noch zu sehr auf Bankenfinanzierung setze.
Die Aktienkultur sei insgesamt in Europa unterentwickelt, was zu einem Standortnachteil gerade gegenüber den angelsächsischen Ländern führe. Die Privathaushalte in Europa verfügen laut Köhler-Geib über ein Vermögen von rund 11 Bill. Euro, das nicht an den Kapitalmärkten angelegt ist. Mehr Investitionen an den Kapitalmärkten würden nicht nur die finanzielle Situation der Haushalte verbessern, sondern auch die Wirtschaft Europas stärken, indem es zu mehr Investitionen, etwa in ökologisch nachhaltige Technologien, kommt.
Nachholbedarf in der Innovationspolitik sieht ebenfalls Patrick Lerner, Deutschland-Chef bei Ayming, einem führenden internationalen Beratungshaus für Innovations- und Forschungsförderung. Er lobt zwar die inzwischen nachgebesserte Forschungsförderung in Deutschland, kritisiert aber gleichzeitig die damit verbundene Bürokratielast, die zu großen Verzögerungen führt. Letztendlich, so Lerner, „sind wir in Deutschland einfach in allen Belangen zu langsam und nicht konsequent genug“.
Gute Forschungslandschaft
Er führt hierbei etwa die unzureichende digitale Abdeckung des Standorts an und verweist auf andere Länder wie Südkorea. „Dort haben Sie in 30 Meter unter der Erdoberfläche noch 5G-Empfang, hierzulande stolpert man nach wie vor schon ebenerdig von Funkloch zu Funkloch.“ Das sei eines Landes wie Deutschland mit seiner großen Ingenieursvergangenheit „einfach unwürdig“.
Das Grundsetting in der deutschen Forschungslandschaft, so Lerner, ist sehr gut; das Fundament an Universitäten, Forschungsinstituten und vielen innovationsstarken Unternehmen sei stabil. Nur wenn es dann darum gehe, etwas zum Laufen zu bringen, funke oft die Bürokratie dazwischen – etwa in Sachen Datenschutz. Lerner: „Datenschutz darf nicht als Selbstzweck gesehen werden, was leider oft getan wird bei den zuständigen Stellen.“
Sorge bereiten ihm die gerade stattfindende Insolvenzwelle und der Facharbeitermangel, die viel Know-how hinwegspülen und Innovationsmöglichen brachliegen ließen. Um die Abwanderung von Talenten zu verhindern, müssten Universitäten und Unternehmen noch stärker an den Rahmenbedingungen schrauben. Zudem würden gerade jungen Firmen „zu viele Steine in den Weg gelegt“. Und auch er hält die Zentrierung in Deutschland auf die Bankenfinanzierung für verfehlt und zumindest „ergänzungsbedürftig“. Die „Sparkassengesellschaft“ müsse mehr in Richtung Kapital- und Aktienmarkt verändert werden. Die Vergütung auch junger Talente über Aktienpakete könnten diese auch im Land halten und den Standort insgesamt nach vorn bringen.