EZB-Projektionen

Derzeit zurückhaltende Verbraucher sollen künftig für Wachstum sorgen

Die EZB-Experten blicken etwas pessimistischer auf die Euro-Wirtschaft, rechnen bei der Inflation aber mit weiteren Fortschritten. Sie hoffen nun auf eine konsumgetriebene Erholung und haben ihre Projektionen entsprechend angepasst.

Derzeit zurückhaltende Verbraucher sollen künftig für Wachstum sorgen

Derzeit zurückhaltende Verbraucher sollen künftig für Wachstum sorgen

Geringerer BIP-Anstieg erwartet − Projektionen für Inflation unverändert −Preisdruck bei Dienstleistern sorgt für Prognoseerhöhung bei der Kernrate

ba Frankfurt

Die Volkswirte der Europäischen Zentralbank (EZB) blicken zwar etwas pessimistischer auf die Entwicklung der Euro-Wirtschaft, am Szenario einer konsumgetriebenen Erholung sowie weiteren Fortschritten bei der Inflation halten sie aber fest. In den neuen Projektionen haben sie ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum leicht gesenkt, wohingegen sie an ihren Erwartungen für die Teuerung festhalten. Damit sind die EZB-Ökonomen mit Blick auf die Prognosen des kommenden Jahres beim Wachstum etwas zurückhaltender und bei der Inflation etwas optimistischer als etwa der Internationale Währungsfonds, die Industrieländerorganisation OECD oder die EU-Kommission. Allerdings stammen deren Voraussagen noch von Mai bzw. Juli. Die Löhne wiederum, die der EZB-Rat fest im Blick hat, dürften weiter mit erhöhtem Tempo steigen, der Arbeitsmarkt robust bleiben.

Die Inflation, so die Erwartung der EZB-Volkswirte, dürfte im weiteren Jahresverlauf steigen. Dies sei zum Teil darauf zurückzuführen, dass vorangegangene starke Rückgänge der Energiepreise aus den Jahresraten herausfallen werden. Für 2024 wird eine durchschnittliche Jahresrate von 2,5% prognostiziert, im kommenden Jahr sollen es 2,2% werden. 2026 dürfte dann die EZB-Zielmarke von 2% unterschritten werden: Die Prognose liegt bei 1,9%.

Höhere Kerninflation erwartet

Die Projektionen für die Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel außen vor bleiben, wurden für die Jahre 2024 und 2025 um je 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert: 2,9% werden nun durchschnittlich für 2024 erwartet und 2,3% für 2025. Für 2026 stehen im Vergleich zu Juni unverändert 2,0% in den Projektionen. Grund für die Revision war die höher als erwartet ausgefallene Teuerung bei den Dienstleistungen.

„Risiko abwärtsgerichtet“

„Der Disinflationsprozess dürfte durch den nachlassenden Druck auf die Arbeitskosten und die allmählich auf die Verbraucherpreise durchschlagende Straffung der Geldpolitik unterstützt werden“, heißt es dazu in der Pressemitteilung zu den geldpolitischen Beschlüssen des EZB-Rats. Die Binneninflation sei aber weiter hoch, da die Löhne nach wie vor in einem erhöhten Tempo ansteigen. Jedoch lasse der Arbeitskostendruck nach, und die Gewinne federten die Auswirkungen der höheren Löhne auf die Inflation teilweise ab. „Die Finanzierungsbedingungen bleiben restriktiv und die Konjunktur ist nach wie vor gedämpft, worin sich der schwache private Konsum und die schwache Investitionstätigkeit widerspiegeln“, so die EZB. Die Risiken für das Wirtschaftswachstum im Euroraum bezeichnete EZB-Chefin Christine Lagarde als abwärts gerichtet. Die größten Risiken seien der Ukrainekrieg und der Konflikt im Nahen Osten.

Wachstumsprognosen gesenkt

Nachdem die Binnennachfrage in den kommenden Monaten schwach bleiben dürfte, haben die Volkswirte die Voraussagen für das Wirtschaftswachstum für den gesamten Projektionszeitraum um je 0,1 Prozentpunkte nach unten geschraubt: 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,8% zulegen, 2025 dann um 1,3% und im Folgejahr soll sich das Wachstum auf 1,5% beschleunigen. Schon im Frühjahr, als das BIP um 0,2% zulegte, hatte sich die Binnennachfrage abgeschwächt. Während die Haushalte um 0,1% weniger konsumierten als im Vorquartal, die Unternehmen ihre Investitionen zurückschraubten und die Wohnungsbauinvestitionen nachgaben, stammte das Wachstum von den Staatsausgaben und dem Außenhandel. Die Dienstleister fingen dabei die schwache Entwicklung der Industrie und des Baugewerbes ab.

Privathaushalte sparen lieber als zu konsumieren

„Wir gehen davon aus, dass sich der Aufschwung im Laufe der Zeit verstärken wird, da steigende Realeinkommen den Haushalten erlauben, mehr zu konsumieren“, erklärte Lagarde. Die allmählich nachlassenden Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik dürften den Privatkonsum und die Investitionen unterstützen. Allerdings zeigen Unternehmens- und Verbraucherumfragen, dass vor allem in der Industrie die Stimmung schlecht und die Investitionsabsichten niedrig sind, während das Verbrauchervertrauen gedämpft ist und die privaten Haushalte derzeit eher sparen wollen. Die Sparquote, die 2023 noch bei 13,4% lag, dürfte in diesem Jahr auf 14,9% springen und erst allmählich zurückgehen − für 2026 werden von den EZB-Experten 14,0% erwartet. „Der Arbeitsmarkt bleibt widerstandsfähig“, erwartet die EZB, auch wenn sich die Nachfrage nach Arbeitskräften abschwächt, die Zahl der offenen Stellen wieder dem Vor-Pandemieniveau annähert und das Beschäftigungswachstum verlangsamt. Die Arbeitslosenquote, die im Juli bei 6,4% lag, wird für 2024 sowie die beiden kommenden Jahre mit je 6,5% prognostiziert. Die Produktivität dürfte zulegen, da einige der zuletzt bremsenden konjunkturellen Faktoren nachgelassen haben.

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