Inflation

Deutsche Erzeuger­preise nähren Inflations­hoffnungen

Was für eine Überraschung: Die deutschen Erzeugerpreise sind im Oktober im Monatsvergleich deutlich zurückgegangen. Ein Grund für Entwarnung ist das aber nicht. EZB-Chefvolkswirt Lane gibt weitere Signale zur Zinspolitik.

Deutsche Erzeuger­preise nähren Inflations­hoffnungen

ms Frankfurt

Ein überraschendes und deutliches Abschwächen des zuletzt rekordhohen Anstiegs bei den deutschen Erzeugerpreisen schürt Hoffnungen, dass die hohe Inflation allmählich ihren Hö­hepunkt überschreitet und absehbar zurückgeht. Für die nächsten Monate dürfte aber weiter mit sehr hohen und teils zweistelligen Inflationsraten zu rechnen sein, und danach könnte der Rückgang zäh werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert derweil auf weitere, aber geringere Zinserhöhungen als zuletzt zu, wie auch Aussagen von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane signalisieren.

Politik und EZB unter Druck

Die Inflation in Deutschland liegt so hoch wie seit Jahrzehnten nicht und ist im Oktober laut EU-harmonisierter Berechnung (HVPI) auf 11,6% gesprungen. Hauptpreistreiber ist aktuell der Ukraine-Krieg und die dadurch ausgelöste Energiekrise. Aber die Inflation hat auch schon vor Kriegsausbruch kräftig angezogen. Das setzt Politik und Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck. Die EZB hat im Juli nach langem Zögern die Zinswende vollzogen und erhöht die Leitzinsen nun so aggressiv wie nie. Zugleich droht aber eine Rezession, weswegen der weitere Zinskurs auch im EZB-Rat umstritten ist.

Am Montag nun wurde bekannt, dass sich der Preisanstieg bei den deutschen Erzeugerpreisen im Oktober stark abgeschwächt hat. Im Jahresvergleich legten sie um 34,5% zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In den beiden Vormonaten hatte die Rate mit 45,8% noch wesentlich höher gelegen – und auf dem höchsten jemals gemessenen Stand. Für die deutliche Abschwächung im Oktober war nun verantwortlich, dass die Preise auf Monatssicht um 4,2% nachgaben. Das bedeutet den ersten Rückgang seit Mai 2020 und den stärksten Rückgang, der je seit 1949 gemeldet wurde. Volkswirte hatten dagegen mit einem weiteren Anstieg um 0,9% gerechnet.

„Ein spektakulärer Preisrückgang nach all den Monaten mit deutlichen Preisanstiegen“, sagte Jens-Oliver Niklasch, Volkswirt bei der LBBW. Das sei „vielleicht das erste Signal eines gewissen konjunkturbedingten Nachlassens des Preisdrucks“. Auch Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen sprach von einem Hoffnungszeichen. Energie verteuerte sich im Jahresvergleich nach wie vor stark, im Monatsvergleich gab es aber eine spürbare Entlastung. So lagen die Energiepreise zwar 85,6% höher als ein Jahr zuvor, zu September gaben sie aber um 10,4% nach. Laut Statistikamt waren auf Monatssicht vor allem Strom und Erdgas günstiger.

Die neuen Daten nähren die Hoffnung, dass allmählich das Schlimmste bei der Inflation überstanden sein könnte. Vergangene Woche war bereits bekannt geworden, dass die Preise im deutschen Großhandel im Oktober langsamer gestiegen sind als in jedem Monat seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Zudem hatte am Freitag die Tarifeinigung in der deutschen Metall- und Elektroindustrie zu Zuversicht geführt, dass eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale vermieden werden kann, mit der sich die Inflation zu verfestigen drohen würde.

Der Preisanstieg von 34,5% ist aber immer noch rasant, und in den nächsten Monaten dürfte der Inflationsdruck hoch bleiben. In diese Richtung deutet auch eine neue Umfrage des Ifo-Instituts. Demnach haben die Firmen in den vergangenen Monaten ihre höheren Einkaufspreise erst zu 34% durchgereicht. Eine schwache Nachfrage, hoher Wettbewerbsdruck und langfristige Vertragslaufzeiten hemmten die Firmen nach eigenen Angaben bei Preiserhöhungen. Bis April 2023 planen sie allerdings, die Weitergabe auf 50% zu erhöhen. „Dies führt voraussichtlich zu weiterem Inflationsdruck bei den Verbraucherpreisen in den nächsten Monaten“, sagte Ifo-Forscher Manuel Menkhoff voraus.

EZB vor Tempodrosselung

Die EZB will angesichts der hohen Inflation ihre Leitzinsen weiter anheben. Seit Juli hat sie ihre Sätze um insgesamt 200 Basispunkte erhöht. Zuletzt hatten sich aber die Signale gemehrt, dass die Leitzinsen bei der Sitzung Mitte Dezember eher um 50 Basispunkte angehoben werden könnten und nicht um 75 Punkte wie zuletzt zweimal in Folge.

Diesen Eindruck verstärkten am Montag Aussagen von EZB-Chefökonom Lane. „Eine Grundlage für die Erwägung einer sehr starken Anhebung, etwa um 75 Basispunkte, ist nicht mehr vorhanden“, sagte Lane im Interview mit Market News. Ein Niveau von 1,5% beim Einlagensatz sei zwar immer noch von dem Niveau entfernt, das nötig sei. Je mehr man aber zusammengefasst bereits unternommen habe, umso mehr änderten sich die Vor- und Nachteile jeder einzelnen Erhöhung. Lane machte zugleich sehr deutlich, dass die Zinserhöhungen im neuen Jahr weitergehen dürften.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.