Deutsche Exporteure befürchten rote Zahlen
rec Frankfurt
Die Stimmung in der deutschen Außenwirtschaft hat dramatisch gedreht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet im laufenden Jahr bestenfalls noch mit einer Stagnation im Export. „Wir hoffen auf eine schwarze Null“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier am Donnerstag. Mehr sei nicht drin. „Der Aufschwung im internationalen Geschäft wird jäh abgewürgt“, so Treier. Angesichts hoher Erzeuger- und Importpreise sieht der Experte die deutschen Unternehmen in einer Kostenklemme.
Die Auswertung der halbjährlichen DIHK-Umfrage unter Mitgliedsunternehmen in aller Welt zeugt von weit verbreitetem Konjunkturpessimismus. Noch im Januar hatte der DIHK ein Exportplus von 6% auf der Rechnung. Der Ukraine-Krieg und die immer ausweglosere Lage in Schanghai und anderen chinesischen Großstädten wegen Pekings Corona-Nulltoleranzpolitik haben diese Hoffnungen vollständig zunichte gemacht. Die Exporte waren im März bereits rückläufig. Das schürt Sorgen vor einer Rezession in Deutschland.
DIHK-Außenwirtschaftschef Treier sieht das Auslandsgeschäft „auf erheblichem Schlingerkurs“. Schon die amtlichen Wachstumszahlen für die ersten Monate des Jahres, die den Eindruck eines halbwegs robusten Außenhandels vermittelten, sind für Treier trügerisch. Denn es handele sich um nominale Zuwächse. „Preisbereinigt ist in diesem Jahr sogar ein Rutsch in die roten Zahlen möglich“, warnte Treier.
Anders als im Herbst gehen die Unternehmen nun mehrheitlich von einer Konjunkturflaute an ihren jeweiligen Standorten aus. Das zeigen die Umfragen der Außenhandelskammern unter 4200 Mitgliedsunternehmen in aller Welt im Auftrag des DIHK. Demnach bewerten 37% die Konjunkturentwicklung vor Ort negativ, in der Eurozone sind es 41%. Nur noch eine klare Minderheit ist positiv gestimmt. „Einen ähnlichen Stimmungsknick hatten wir zuletzt im Frühjahr 2020 erlebt, als der erste Corona-Schock die Weltwirtschaft fest im Griff hatte“, sagte Treier.
Kosten als größtes Problem
Hauptproblem sind Preisschübe bei Energie, Rohstoffen und Vorleistungen. Auf die Frage nach den Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine melden im weltweiten Durchschnitt zwei Drittel der Unternehmen dies als akutes Problem. In der Eurozone machen die Preissprünge im Einkauf sogar mehr als drei Viertel der Unternehmen zu schaffen. Erstmals tauchen als nennenswertes Problem auch steigende Arbeitskosten in der Umfrage auf. Immerhin 29% der Unternehmen führen dies an.
Erzeuger- und Importpreise in Deutschland legen momentan mit Raten von mehr als 30% zu. Die Exportpreise können laut Treier trotz Zuwächsen von zuletzt 16% nicht mithalten. Der Gipfel des Preisdrucks sei noch immer nicht erreicht. „Die Unternehmen sehen sich daher gezwungen, Preissteigerungen weiterzugeben“, so Treier. Die ohnehin hohe Inflation wird dies absehbar weiter treiben.
Hohe Inflation wird befeuert
Störungen in den Lieferketten und der Logistik belasten mehr als die Hälfte der im Ausland tätigen Unternehmen, fehlende Vorleistungsgüter 39%. Eigenen Angaben zufolge mussten deshalb 17% der Unternehmen ihre Produktion an ausländischen Standorten drosseln oder stoppen. Auch hier sind die Probleme in der Eurozone überdurchschnittlich hoch. Die Nähe zum Kriegsgebiet lastet schwer auf den Konjunkturerwartungen, vor allem in Osteuropa.
Immer brenzliger wird die Lage in China. Dort sind 44% der Unternehmen mit Blick auf die Konjunkturerwartungen pessimistisch gestimmt, nur noch 14% positiv. China ist neben den USA Deutschlands wichtigster Handelspartner. Laut der Umfrage stellt beinahe die Hälfte der deutschen Unternehmen in China die Standortfrage. Jedes achte Unternehmen erwägt sogar, China zugunsten eines Standortes näher am europäischen beziehungsweise deutschen Heimatmarkt zu verlassen. Kurzfristig wird Pekings Umgang mit Corona maßgeblich sein, ob Deutschlands Exporteure 2022 zumindest die erhoffte schwarze Null realisieren können.