Konjunktur

Deutsche Exporteure haben einen Lauf

Materialengpässe, Rohstoffkosten, Frachtprobleme: Allen Widrigkeiten zum Trotz bauen deutsche Unternehmen ihre Serie im Außenhandel aus. Auch der Inflationsdruck dürfte so bald nicht nachlassen.

Deutsche Exporteure haben einen Lauf

rec Frankfurt

Deutschlands Exporteure haben einen Lauf – und lassen sich bislang weder von Materialengpässen noch hohen Transport- und Rohstoffkosten aufhalten. Im Juni setzten sie im Ausland kalender- und saisonbereinigt 1,3% mehr ab als im Mai, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) berichtete. Damit bauten sie ihre Serie steigender Exportumsätze auf 14 Monate aus. Das Plus fiel zudem deutlich stärker aus, als Ökonomen erwartet hatten. „Das erste Halbjahr hat Exporteuren wie Importeuren viel abverlangt“, fasste Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbands BGA, die Gemütslage zusammen. „Dennoch hat der Außenhandel sich im ersten Halbjahr aus dem Coronatal herausgearbeitet und beschließt es auf Vorkrisenniveau.“

Treiber der Exporthausse sind die USA und China: Die mit Abstand wichtigsten Handelspartner führen die Erholung der Weltwirtschaft mit starken Wachstumsraten an, was in den deutschen Exportzahlen positiv zu Buche schlägt. Auch die Nachfrage aus der Europäischen Union zieht an, je mehr die Pandemie angesichts voranschreitender Impfkampagnen unter Kontrolle zu sein scheint. Insgesamt führten Deutschlands Exporteure im Juni kalender- und saisonbereinigt Waren im Wert von 113,7 Mrd. Euro aus, fast ein Viertel mehr als im von der Coronakrise stark beeinträchtigten Juni 2020. Ein Ende des Exportbooms scheint vorerst nicht in Sicht: Zwar sind die vom Ifo-Institut ermittelten Exporterwartungen zuletzt leicht gefallen, Unternehmen rechnen aber branchenübergreifend weiter mit steigenden Auslandsumsätzen. Auch die Auftrags­lage stimmt.

Ökonomen reagierten beeindruckt. „Während die Industrieproduktion im zweiten Quartal enttäuschte, waren die Exporte eindeutig ein wichtiger Wachstumsmotor“, konstatiert ING-Ökonom Carsten Brzeski. Die Daten zeigten, „dass die Spannungen in der Lieferkette die deutschen Exporte noch nicht beeinträchtigt haben“. Zu einem etwas anderen Befund kommt Thomas Gitzel von der VP Bank: „Würden die Lieferketten funktionieren, wäre die Exportentwicklung bereits in den Vormonaten eine deutlich imposantere gewesen.“ Es sei nun „allerdings zu befürchten, dass sich der Mangel an Vorprodukten schon bald deutlicher in den Exportzahlen niederschlagen wird“. Sorgen macht vor allem der anhaltende Mangel an Halbleitern, der, so Brzeski, „in Schlüsselsektoren wie der Autoindustrie“ weitere Lieferprobleme nach sich ziehen könnte. In der Tat verfestigt sich in der für Deutschland so bedeutsamen Autobranche der Eindruck, dass die Engpässe bei Halbleitern der Produktion bis ins nächste Jahr zusetzen könnten.

Volle Auftragsbücher

Die Gemengelage aus knappen Vorprodukten, hohen Rohstoff- und Frachtpreisen und der unvermindert hohen Nachfrage auf den Weltmärkten dürfte auch dafür sorgen, dass der vom Außenhandel ausgehende Inflationsdruck hoch bleibt. Die Unternehmen hätten „bisher im Allgemeinen nur wenig Widerstand von Seiten der Kunden gegen höhere Preise erfahren“, konstatierte vor wenigen Tagen Chris Williamson, Chefvolkswirt bei IHS Markit, im Rahmen der jüngsten Erhebungen unter Einkaufsmanagern im Euroraum. Zwar könnte sich dies, schränkte Williamson ein, „ändern, wenn die derzeitige Erholung von dem Lockdown vorüber ist“.

Danach sieht es bislang aber nicht aus, denn die Weltwirtschaft steht unter Dampf. Im Juli lagen die Im­portpreise 12,9% höher als zwölf Monate zuvor, wie Destatis Ende Juli mitteilte. Der Preisschub vonseiten des Außenhandels ist somit so stark wie seit der Ölkrise Anfang der 1980er Jahre nicht. Auch auf Monatssicht stiegen die Einfuhrpreise mit 1,6% ungewöhnlich stark (siehe Grafik). Vom Volumen her setzten auch die deutschen Importe im Juni ihren Aufwärtstrend fort: Kalender- und saisonbereinigt führten die Unternehmen 0,6% mehr ein als im Mai.

Die Industrie sitzt zwar auf prall gefüllten Auftragsbüchern. Allein im Juni legten die Bestellungen mit 4,1% zum Vormonat so kräftig zu wie seit zehn Monaten nicht. Vielfach kommen die Firmen aber mit der Produktion nicht hinterher. In der gesamten Industrie geben laut der jüngsten Ifo-Konjunkturumfrage in­zwischen fast zwei Drittel der Unternehmen an, dass sie der Mangel an Vorprodukten behindert.

Bundestagswahl im Blick

Mit Blick auf die Bundestagswahl im September sorgt Wirtschaftsvertreter zudem, dass die Themen Außenhandel und Globalisierung für die Parteien allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Das unterstreicht nun auch BGA-Chef Börner: „Enttäuschend ist, dass sich der aktuelle Bundestagswahlkampf lieber mit Nebensächlichkeiten beschäftigt als mit der Lösung unserer großen Probleme.“